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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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abnahm, wonach er angeblich versucht hat, meinen Bruder vor dem Ertrinken zu retten.« Augustas Nerven waren zum Zerreißen gespannt, sosehr fürchtete sie sich vor Hughs Antwort. Der jedoch blieb vorsichtig und wies auf die lange Zeitspanne hin, die seit den damaligen Ereignissen verstrichen sei.
    Unvermittelt tauchte Micky Miranda an Augustas Seite auf. Sein Gesicht war eine Maske entspannter Höflichkeit und Gelassenheit, aber die Schulterhaltung verriet ihr seine innerliche Anspannung. »Ist das dieser Middleton?« flüsterte er ihr ins Ohr. Sie nickte.
    »Dann hab' ich ihn also richtig erkannt.«
    »Pssst! Hör zu!« Middletons Ton war plötzlich aggressiver geworden. »Ich glaube,
    Sie kennen die Wahrheit über das, was damals geschah«, sagte er mit provozierender Stimme.
    »Ach ja, meinen Sie?« Da Hugh nun auch die Stimme gehoben hatte, waren seine Worte ohne weit e res verständlich. »Entschuldigen Sie meine Unverfrorenheit, Pilaster. Peter war mein Bruder. Seit Jahren versuche ich herauszufinden, was damals wirklich geschehen ist. Meinen Sie nicht, daß ich ein Recht auf die Wahrheit habe?«
    Hugh antwortete nicht sofort. Augusta wußte, daß ein solcher Appell an die moralische Dimension des Falles bei ihrem scheinheiligen Neffen offene Türen einrennen konnte. Am liebsten wäre sie dazwischengefahren, um dem Gespräch ein Ende zu setzen oder zumindest einen Themenwechsel herbeizuführen - nur kam eine solche Einmischung dem Eingeständnis gleich, daß sie, Augusta, etwas zu verbergen hatte. Und das kam nicht in Frage. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als weiter in hilflosem Entsetzen zu verharren, die Ohren zu spitzen und trotz der vielen Nebengeräusche zu versuchen, dem Verlauf des Gesprächs zu folgen.
    Endlich bequemte Hugh sich zu einer Antwort: »Ich habe Peter nicht sterben sehen, Middleton. Deshalb kann ich Ihnen auch nicht sagen, wie es geschehen ist. Ich weiß nichts Genaues, und ich halte es für falsch, darüber Spekulationen anzustellen.«
    »Aber Sie haben eine Vermutung, wie? Sie können sich vorstellen, wie es wahrscheinlich abgelaufen ist?«
    »Vermutungen sind in einem solchen Fall fehl am Platz. Sie wären schlichtweg unverantwortlich. Sie sagen, Sie wollen die Wahrheit herausfinden. Ich unterstütze das voll und ganz. Wüßte ich die Wahrheit, so sähe ich es als meine Pflicht an, Sie darüber in Kenntnis zu setzen. Aber ich kenne sie nicht.«
    »Ich glaube, Sie wollen nur Ihren Vetter decken.«
    »Verdammt, Middleton, das geht jetzt aber zu weit!« fuhr Hugh empört auf. »Sie dürfen sich aufregen, soviel Sie wollen, das ist Ihr gutes Recht. Aber ich verbitte es mir, meine Aufrichtigkeit in Frage zu stellen!«
    »Wie dem auch sei - irgend jemand lügt«, erwiderte Middleton rüde, machte auf dem Absatz kehrt und entfernte sich. Augusta atmete auf. Ihre Erleichterung war so groß, daß ihr die Knie schwach wurden. Verstohlen suchte sie Halt bei Micky. Dieses eine Mal hatten sich Hughs hehre Grundsätze zu ihren Gunsten ausgewirkt. Er vermutete zwar, daß Edward an Peters Tod nicht unbeteiligt war, behielt diese Annahme aber für sich, da sie ausschließlich auf einem Verdacht beruhte. Und Middleton hatte es sich jetzt endgültig mit Hugh verscherzt. Ein Gentleman log nicht, das verbot sich von selbst. Für junge Männer wie Hugh war allein schon die Andeutung, sie könnten die Unwahrheit gesagt haben, eine schwere Beleidigung. Es war kaum anzunehmen, daß Middleton und Hugh noch einmal über die Sache sprechen würden.
    Die Krise hatte ihr große Angst eingejagt. Sie war so plötzlich aufgezogen wie ein Sommergewitter - und dann so schnell vorübergegangen, wie sie gekommen war. Augusta fühlte sich erschöpft, aber sicher.
    Das Defilee war vorüber, und die Kapelle stimmte eine Quadrille an. Der Kronprinz führte die Herzogin und der Herzog die Prinzessin zum ersten Tanz auf die Tanzfläche. Andere Vierergruppen folgten. Das Tempo war recht gemächlich - vielleicht deshalb, weil viele Tänzerinnen und Tänzer schwere Kostüme und hinderliche Kopfbedeckungen trugen.
    »Ich nehme an, daß Mr. Middleton keine Gefahr mehr für uns darstellt.«
    »Nicht, solange Hugh den Mund hält.«
    »Und solange dein Freund Silva in Cordoba bleibt.«
    »Der Einfluß seiner Familie ist im Laufe der Jahre ständig gesunken. Ich rechne eigentlich nicht damit, daß er je wieder in Europa auftaucht.«
    »Gut.« Augusta konzentrierte sich wieder auf ihre jüngst eingefädelte Intrige. »Hast du

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