Die Phrrks
noch sparen könnte.
Gut, sagte ich, dann sparen wir eben das Nichts.«
Alice und Earl blickten verständnislos.
»Na, die Löcher!« rief Zeus triumphierend. »Wir haben die Löcher gespart: die Perforation der Brief-marken, des Klosettpapiers, der Lebensmittelkarten, die Löcher im Käse, in den Makkaroni wir hatten die dicksten Spaghetti der Welt. Wenigstens das! Ich hätte so gern das reichste, das wohlhabendste Volk der Welt gehabt, aber…« Er streckte bedauernd die leeren Hände von sich, dann schmunzelte er.
»Wenn, so sagte ich mir eines Tages und ich sagte es meinem Volk, ich hielt jede Woche eine Anspra-che vor meinem Volk, das heißt natürlich im Video –
, wenn wir schon nicht das Privileg hätten, die größ-
te, reichste, mächtigste Nation zu sein, dann wollten wir wenigstens die kräftigste Nation der Welt werden. Und ich ordnete an, daß jedermann dreimal täglich drei Liegestütze machen mußte, oder, wer das nicht schaffte, drei Kniebeugen. Zumindest drei Ver-beugungen.«
Alice und Earl sahen sich heimlich an. Ein Verrückter? Hatte so etwas tatsächlich einmal auf der Erde regiert?
304
»Du sprichst immer von deinem Land, deinem
Volk«, sagte Alice, »warst du am Ende ein König?«
»Nein!« Zeus lachte laut auf. »Die Könige waren längst abgeschafft. Nicht mal Präsident, wie meine Vorgänger.« Er spuckte aus. »Jeder von ihnen hat sich wie ein Gott verehren lassen. Aber damit war Schluß, als ich an die Macht kam. Ich habe sie einfach verschwinden lassen, ihre Namen ausgelöscht, als hätten sie nie existiert, Straßen, Plätze, Fabriken umgetauft, die Denkmäler geschleift ich hätte sogar die alten Zeitungen und Videos ändern lassen, wenn ich nur gewußt hätte, woher genügend qualifizierte Leute dafür nehmen. Na, ich habe einfach die Benut-zung der Archive verboten. Nein, ich war kein Kö-
nig, bei uns herrschte die Demokratie, und ich war nur erster Administrator, Primus inter pares, wenn ihr wißt, was ich meine.«
»Der Erste unter Gleichen«, flüsterte Napoleon.
Earl wiederholte es laut. Zeus nickte, doch er feixte dabei.
»Aber ich habe den anderen in unserem Kollegium schnell klargemacht, daß ich gleicher bin als sie, und wer nicht hören wollte…« Er fuhr mit der Handkante über seinen Hals, und als er merkte, daß seine Gäste ihn nicht verstanden, sprach er es aus. »Exekutiert.
Natürlich war es immer ein Unfall, eine Krankheit plötzlich und unerwartet verstorben, versteht ihr?«
Und ob sie ihn verstanden. Sie hatten genügend 305
schaurige Geschichten aus der Geschichte im Unterricht vernommen.
Und nun saß tatsächlich einer dieser regierenden Ungeheuer vor ihnen?
Zeus legte begütigend seine Hand auf Alices Arm.
»An meinen Händen klebt kein Blut«, sagte er. »Da-für hatte ich doch meine Leute.« Er sah mißtrauisch von Alice zu Earl. »Tut bloß nicht so, als wäre es heute anders auf der Erde!«
»Es ist vieles anders als zu deiner Zeit«, sagte Earl. Er zeigte auf einen mannshohen Kasten, um das Thema zu wechseln.
»Was ist das hier?«
»Ein Automat. Aus der New York Central Stati-on.« Zeus sagte es voller Besitzerstolz, griff in die Tasche, holte eine kleine Metallscheibe hervor, steckte sie in den Apparat, der sogleich zu surren und klicken anfing und eine rote Dose ausspuckte.
Zeus hielt sie Alice hin. »Magst du Coca Cola?«
Dann schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. »Bestimmt habt ihr Hunger.
Kommt!«
Er packte Alice an der Hand, zog sie hinaus auf einen der Bahnsteige, an Dutzenden von Lokomotiven vorbei, zu einem blauen Waggon, riß die Türen auf und freute sich diebisch über Alices Verblüffung: die Tische in dem langgestreckten Raum waren für ein festliches Mahl eingedeckt.
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»Der Speisewagen eines amerikanischen Präsidenten«, erklärte Zeus. »Setzt euch doch. Was darf ich euch anbieten?«
Er schob jedem ein altertümliches Buch zu. »Sucht euch aus, was ihr mögt. Die Automatik funktioniert noch immer. Eßt und trinkt nach Herzenslust.«
»Daß ihr euch ja nicht untersteht«, mahnte Napoleon leise.
»Leider habe ich nichts davon.« Zeus seufzte. »Ich vertrage weder essen noch trinken, könnt ihr mir vielleicht verraten, wieso?«
»Nein«, sagte Earl. »Kannst du schlafen?«
»Schlafen…? Ja, irgendwann dämmer ich ein, irgendwann wache ich auf. Wann? Nach Stunden, Tagen, Jahren? Die Uhren zeigen nur die Stunden an.
Zeit hat ihren Sinn für mich verloren. Ich wußte ja nicht einmal, wie lange ich
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