Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Bauernhäusern und Siedlungen vorbei, ohne uns aufzuhalten. Ich hatte mich gegen die wilde, dämonische Route entschlossen, der ich bei der Verbannung Ganelons gefolgt war. Zwar wäre dieser Weg viel kürzer gewesen, doch hätte sich mein Begleiter bestimmt darüber aufgeregt. Außerdem brauchte ich Zeit zum Nachdenken, so daß ein solcher Ausflug nicht in Frage kam. Inzwischen ging auch der lange Weg seinem Ende entgegen. An diesem Nachmittag erlangten wir Ambers Himmel, und ich bewunderte stumm den Anblick. Es sah beinahe so aus, als ritten wir durch den Wald von Arden. Allerdings war kein Hörnerklang zu vernehmen, und kein Julian, kein Morgenstern, keine gierig hechelnden Hunde tauchten auf, wie damals, als ich zum letztenmal durch Arden kam. Wir nahmen nur den Vogelgesang in den mächtigen Bäumen wahr, das Keckem eines Eichhörnchens, das Bellen eines Fuchses, das Plätschern eines Wasserfalls, das Weiß und Blau und Rosa von Blumen in den Schatten.
Der Nachmittagswind war angenehm kühl; er stimmte mich derart friedlich, daß mich der Anblick der frischen Gräber am Wegesrand hinter einer Kurve ziemlich unvorbereitet traf. In der Nähe befand sich eine zertrampelte Lichtung. Wir verweilten kurze Zeit, erfuhren aber auch nicht mehr, als auf den ersten Blick erkennbar gewesen war.
Ein Stück weiter passierten wir eine ähnliche Stelle mit mehreren verkohlten Grasflecken und Büschen. Der Weg zeigte inzwischen Spuren intensiver Benutzung, und das Gebüsch links und rechts war geknickt und niedergetrampelt, als seien hier zahlreiche Männer und Tiere durchgekommen. Von Zeit zu Zeit roch die Luft nach Asche, und einmal kamen wir an einem Pferdekadaver vorbei, der bereits ziemlich verwest und von Raben zerfleddert war. Wir hielten eine Zeitlang den Atem an.
Der Himmel Ambers schenkte mir keine Kraft mehr, obwohl der Weg in der nächsten Zeit keine Überraschungen mehr brachte. Der Tag neigte sich dem Abend entgegen, und der Wald war schon viel lichter geworden, als Ganelon im Südosten die Rauchsäulen bemerkte. Wir schlugen den ersten Seitenweg ein, der in die Richtung zu führen schien, auch wenn uns das von Avalon fortführte. Es war schwierig, die Entfernung zu schätzen, doch wir erkannten bald, daß wir unser Ziel erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichen würden.
»Die Armee – noch im Lager?« fragte Ganelon.
»Oder die der Eroberer.«
Er schüttelte den Kopf und lockerte die Klinge in der Scheide.
In der Dämmerung verließ ich den Weg, um ein Wasserplätschern zu erkunden. Es war ein heller, klarer Bach, der von den Bergen herabstürzte und noch etwas Gletscher-kälte mit sich führte. Ich badete darin, stutzte meinen neuen Bart zurecht und befreite meine Kleidung vom Staub der Reise. Da nun das Ende unseres Ritts bevorstand, wollte ich natürlich einen zivilisierteren Eindruck machen, soweit das möglich war. Ganelon wußte meinen Wunsch zu schätzen und benetzte sein Gesicht mit Wasser und schneuzte sich einmal vernehmlich.
Schließlich stand ich am Ufer, blinzelte mit frischausgespülten Augen zum Himmel empor und sah den Mond plötzlich ganz deutlich hervortreten, sah seine Ränder scharf werden. Das widerfuhr mir zum erstenmal! Ich hörte auf zu atmen und blickte reglos hinauf. Dann suchte ich den Himmel nach ersten Sternen ab, suchte den Rand von Wolken, die Gipfel ferner Berge, weit entfernte Bäume. Noch einmal blickte ich auf den Mond, der sich noch immer klar und deutlich am Himmel zeigte. Ich konnte wieder normal sehen!
Als ich zu lachen begann, wich Ganelon zurück – und erkundigte sich weder jetzt noch später nach dem Grund.
Ich unterdrückte meinen Wunsch zu singen, stieg wieder auf mein Pferd und kehrte zum Weg zurück. Die Schattenwurden dunkler, und zwischen den Ästen über unseren Köpfen blühten Sternenwolken auf. Ich atmete ein schönes Stück der Nacht ein, hielt es einen Augenblick lang in meinen Lungen, gab es wieder frei. Ich war wieder ganz der alte – ein herrliches Gefühl!
Ganelon lenkte sein Pferd neben mich und sagte leise: »Wir müssen mit Posten rechnen.«
»Ja«, sagte ich.
»Sollten wir dann nicht lieber den Weg verlassen?«
»Nein. Ich möchte nicht heimlichtuerisch erscheinen. Mir macht es nichts aus, notfalls auch mit einer Eskorte einzutreffen. Wir sind eben nur zwei einfache Reisende.«
»Vielleicht erkundigt man sich nach dem Grund für unsere Reise.«
»Dann geben wir uns als Söldner aus, die von den Auseinandersetzungen in der Gegend
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