Die Prophetin
Ihnen ablenken kann.« Er trug die Soutane. »Aber wir können nicht mehr mit dem Wagen fahren«, sagte er. »Deshalb lasse ich ein Taxi kommen.« Benommen überflog Catherine den Artikel: ›Es besteht Grund zur Annahme, daß Dr. Alexander am Samstagabend unter dem Namen Jane Smith in einem Motel in Sacramento abgestiegen ist. Sie wurde zuletzt in einem roten Ford gesehen und fuhr in Richtung Süden.‹ Es war ein langer Artikel. Offenbar hatte man jeden, der etwas über sie wußte, nach ihr gefragt: die Stiftung, Mr. Mylonas im Hotel Isis, Samir, sogar die amerikanische Einreisebehörde. Catherine erwartete, daß auch Julius erwähnt werden würde. Aber sein Name tauchte nicht auf.
»Das Taxi ist da«, sagte Garibaldi an der Tür. »Ich nehme das Gepäck.«
Er hatte dem Taxifahrer gesagt, daß sie zum Greyhound-Bus-bahnhof wollten. Auf der Fahrt flüsterte er so leise, daß der Mann ihn nicht hörte: »Wir sind etwa dreihundert Meilen von Mexiko entfernt. Wir können es noch heute nacht über die Grenze schaffen…«
Aber sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich nach Mexiko fliehen würde, wäre das wie ein Eingeständnis meiner Schuld. Wir fahren nach Südosten.«
»Was ist dort?«
»Die Wüste«, antwortete Catherine.
West Los Angeles
»Dr. Voss, ist Ihnen bewußt, daß die Einfuhr von fremden Kulturgütern in dieses Land ein Vergehen ist?
Haben Sie vergessen, daß Frau Dr. Alexander unter dem Verdacht steht, genau das getan zu haben? Wo befindet sie sich jetzt? Welcher Zusammenhang besteht zu dem Mord an Daniel Stevenson?« Julius stand vom Schreibtisch auf und rieb sich die Schläfen. Das imaginäre Verhör wollte ihm nicht aus dem Kopf. Es quälte ihn, seit er vor der Polizeiwache im Auto gesessen hatte und eine Aussage über Catherine machen wollte. Nach längerem Überlegen war er dann doch nicht ausgestiegen. »Sie sagen, daß diese Frau Catherine Alexander ist?« hätte man ihn gefragt. »Und Sie wissen mit Sicherheit, daß sie bei Ausgrabungen in Ägypten gefundene Schriftrollen ins Land geschmuggelt hat?«
Er hätte Catherine an den Pranger gestellt. Bis gestern abend hatte die Polizei Catherines Identität noch nicht gekannt und weder etwas von ihrer Beziehung zu Daniel gewußt noch davon, daß sich die Papyri in ihrem Besitz befanden.
Als sich Julius nach dem stummen Selbstgespräch schließlich entschieden hatte und vom Parkplatz der Polizeiwache gefahren war, beschloß er, die Polizei werde von ihm nichts erfahren. Bis gestern abend hatte Catherine noch die Möglichkeit gehabt, selbst alle Anschuldigungen zurückzuweisen. Aber das war gestern abend gewesen. Der neblige Morgen brachte in Form der Los Angeles Times ein böses Erwachen, denn auf der Titelseite befand sich Catherines Bild, ein richtiges Photo von ihr mit Namensangabe.
Julius war jedoch erleichtert, als er las, daß sie noch lebte. Der Mann, mit dem Catherine angeblich aus Daniels Wohnung geflohen war, wurde nicht erwähnt. Das bedeutete, sie war nicht entführt worden. Sie befand sich auf der Flucht. Julius wußte, wie eigensinnig Cathy sein konnte. Er erinnerte sich noch gut an die Entschlossenheit in ihren Augen, als sie erklärt hatte, sie werde sich die Schriftrollen nicht abnehmen lassen. Natürlich würde sie so lange untertauchen, bis sie die Übersetzung abgeschlossen hatte.
Julius griff nach der Zeitung und las den Artikel noch einmal. Dort hieß es, die Polizei habe neunzehn Photos der Schriftrollen gefunden. Aber von Catherine wußte er, daß sie jede Seite der Bücher photographiert hatte, und das waren mehr als hundert Bilder. Hatten Daniels Mörder die anderen Photos an sich genommen? Wer immer sie auch sein mochten, sie wollten die Schriftrollen unbedingt in ihren Besitz bringen und schreckten selbst vor einem Mord nicht zurück. Julius vermutete, sie würden wieder töten, um die siebte Schriftrolle zu bekommen. Solange die Suche danach weiterging, war Catherines Leben in Gefahr.
Er warf die Zeitung auf den Schreibtisch und schob die Hände in die Hosentaschen. Seine Hilflosigkeit empfand er wie eine Folter. Er wollte etwas für sie tun. Aber was? Dann kam ihm ein Gedanke. Ich muß die siebte Schriftrolle finden.
Und wie sollte das geschehen? Bestimmt suchte Catherine bereits danach. Auf Grund der Berichte in den Zeitungen über den sensationellen Fund in Ägypten würden sich natürlich alle möglichen Leute an dieser verrückten Schatzsuche beteiligen. Die anderen sechs Rollen enthielten vermutlich Hinweise
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