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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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geschehen soll, wissen wir nicht.“
    *
    Leathan stieg von seinem Pferd ab und ohne sich zu
verabschieden, lief er in den Wald hinein. Hätte er sich nur einmal
umgedreht, hätte er nicht mehr den Mut gehabt, seinen Weg fortzusetzen. Er
wusste, dass seine Freunde den nächsten Angriff von Anthalion ohne ihn nicht
abwehren konnten, dennoch hatten sie ihn gebeten, darauf keine Rücksicht
zu nehmen. Hätte er sich jetzt von ihnen verabschiedet, oder sie auch nur
angesehen, wäre es ihm vorgekommen, als hätte er sich von
Todgeweihten verabschiedet. Er trug eine Tasche mit genug Proviant für
eine Woche, doch er hoffte nichts davon zu brauchen. Er wollte so schnell wie
möglich wieder bei seinen Freunden sein, um sie zu beschützen… doch
war nicht auch etwas Eigennutz in diesem Gedanken? Auch er wollte nicht
länger als notwendig alleine sein, fern der Menschen, die er in diesen
anstrengenden zwei Tagen gelernt hatte zu schätzen.
    Nach nur wenigen Schritten fand er einen kleinen
Trampelpfad, der genau in die Richtung verlief, die Ruvin ihm empfohlen hatte
zu gehen. Wahrscheinlich nutzten die Tiere des Waldes diesen Weg, um zum Wasser
des Flusses zu gelangen. Für einen Augenblick hielt er inne, um sich
umzusehen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie ungewöhnlich dieser Wald
eigentlich war. Er war mit den drohenden Gefahren bislang zu beschäftigt
gewesen, um sich seiner Umgebung richtig gewahr zu werden.
    Die Natur, die hier gedieh, war mit der aus Lisas Welt
nicht vergleichbar. Wie alt die Bäume um ihn herum waren, hätte er
nicht sagen können, doch die mächtigen Stämme waren sicherlich
Zeugen von Jahrhunderten gewesen. Die Baumkronen waren so breit und üppig,
dass die umgebenden Pflanzen sich im Laufe der Zeit an ein permanentes
Zwielicht angepasst hatten. Intensivstes Grün war wie Balsam für die
Augen, nachdem sie durch die sonnenüberflutete Prärie geritten waren.
Das reine Leben hatte hier seinen Platz gefunden und drückte sich in dem
Grün der Pflanzen aus, die jedes noch so kleine Fleckchen Erde ausnutzen,
um in vielfältigen, vollendeten Formen zu gedeihen.
    Die Tierwelt hatte in Abwesenheit von Menschen ihr Reich
genutzt und auch wenn Leathan nur selten ein Tier zu sehen bekam, konnte er
ständig ihre Geräusche durch das Dickicht hören. Es raschelte,
zwitscherte, fauchte in allen Winkeln des Waldes.
    Leathan verschwendete keine Gedanken an die Gefahren, die
die Tiere hätten darstellen können. Vielmehr genoss er es, die
Sauerstoff geladene Luft tief einzuatmen. Es war, als würde der Wald die
Erschöpfung aus Leathans Körper bannen, als habe der Wald heilende
Kräfte. So überwältigend war dieses Gefühl, dass Leathan
die Eile vergaß, die Ruvin in den letzten Stunden stets geboten hatte. Vertieft
in seinen Betrachtungen, kam er nur noch langsam voran. Jede noch so schlichte
Pflanze zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Mehrfach blieb er stehen, um eine
Blattform zu bewundern, oder um an einer Blüte zu riechen. Als er an eine
kleine Lichtung kam, deren Boden von himmelblauen Blüten übersät
war, widerstand er der Versuchung nicht mehr. Er setzte sich auf den weichen
Boden und atmete weiter die wilden Gerüche des Waldes ein. Er konnte
spüren, wie die Anspannung der letzten Tage allmählich von ihm wich.
Vergessen war die Not vom Volk aus Ker-Deijas, vergessen seine Freunde, die auf
ihn warteten… Mit jedem Atemzug fühlte er sich lebendiger, der wilden
Natur des Waldes näher. Die Geräusche erschienen ihm jetzt
deutlicher, er nahm Details wahr, die er zuvor überhört hatte. Er
konnte das leise Rauschen des Wasserstroms in der Ferne hören, er nahm
sogar das Krabbeln der Insekten wahr, die unter dem Dickicht ihr Reich
auserkoren hatten. Obwohl die Baumgipfel langsam im Wind schwankten, war hier
unten, im Schutz des Waldes, nichts davon zu spüren. Nicht der leiseste
Windhauch wagte es, in das Reich der Pflanzen und der Tiere einzudringen.
    Leathan wollte noch mehr, er ließ es zu, dass seine
Augen sich schlossen und er atmete im Einklang mit seiner Umgebung… Eine leise
Melodie, so sanft wie das Rascheln der Blätter, begleitete ihn. Er wurde
eins mit den Bäumen, mit dem Gras, mit dem Moos und dem Fluss, mit den
Schlangen, mit den Eidechsen, mit den Käfern und Füchsen… Zeit
spielte keine Rolle mehr, Eile war an diesem Ort undenkbar…
    In der Ferne spürte er den Ursprung der Kraft, die
dem Wald innewohnte. Pure Energie strahlte ihre Leben spendende Kraft aus und
nährte die gesamte

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