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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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wählten sie eine der luxuriöseren oberen Schänken, in
denen auch die Gardisten verkehrten. Ein alter, zahnloser Mann sprach ihn als
erster an. Leathan vermied es ihn genauer zu betrachten, um nicht in Versuchung
zu geraten, ihn anzustarren: die Hälfte seines Gesichtes war gelähmt
und verzog sich auf seltsame Weise.
    „Prost!“ Er hob sein Glas und trank es in einem Zug leer.
Leathan versuchte erst gar nicht, es ihm nachzumachen, doch prostete er ihm
auch zu. „Na, verlaufen?“, fuhr der Zahnlose seine Annäherungsversuche
fort. Leathan hatte die Schwierigkeit unterschätzt, hier ein Gespräch
anzufangen. Er befand sich eindeutig in befremdender Umgebung. Bemüht
antwortete er.
    „Nein, wieso verlaufen? Ich bin genau da, wo ich sein
will.“
    Der alte Mann lachte und seine Kumpel taten es ihm
gleich.
    „In der billigsten Schänke der Straße? Du
kannst dir doch was Besseres leisten!“ Lag etwas Feindseligkeit in der Stimme
des Mannes? Leathan musste zum Glück nicht nach einer versöhnlichen
Antwort suchen, denn in diesem Augenblick betrat Sihldan das Lokal. Er tat so,
als wäre er erstaunt Leathan hier anzutreffen, doch ein Schauspielmeister
war er nicht.
    „Du auch hier?“
    Warum log Sihldan ihn an?
    „Ja, welch ein Zufall.“, antwortete Leathan und versuchte
gleichzeitig in Sihldans Gedanken zu lesen. Sihldan ging nicht auf seinen
ironischen Tonfall ein, sondern gesellte sich zu ihm, vergeblich bemüht,
gelassen zu wirken. Seine Gedankenwelt drehte sich seltsamerweise allein um das
Bestellen von Bier. Wie ein Blitz traf Leathan die Erkenntnis, dass er gerade
eine der Antworten gefunden hatte, wonach er hier suchte. Er hatte sie stets
vor Augen gehabt, doch er hatte sie nicht bemerkt, zu besessen war er von den
Geschehnissen rund um das Turnier gewesen. Jetzt wusste er es: Sihldans Gedanken
waren blockiert! Deshalb konnte er stets nur das in ihm lesen, was er im
Vordergrund dachte! Wie hatte er glauben können, dies läge an den
Turnierbedingungen? Sihldan war ein überlegter Mensch, der sich stets um
vieles sorgte. Nur einen einzigen Gedankenstrang zu verfolgen, lag nicht in
seiner Natur. Ganz klar erschein es Leathan jetzt: Jemand stellte ihm eine
Falle mittels seines Freundes… Leathan musste nicht lange darüber
nachdenken, um zu ahnen, wer dies bewerkstelligt hatte. Die Frage blieb jetzt
nur noch, ob Sihldan ihn bewusst ausspionierte und ihm seine Freundschaft nur
vorgaukelte. Es war höchste Zeit, diesem Problem nachzugehen, doch hier
und jetzt würde er das Spiel mitspielen müssen. Die Theke um die zwei
Krieger füllte sich und Leathan überließ es Sihldan, sich dem
Smalltalk zu widmen, welches er ohnehin viel besser beherrschte als er selbst.
Während der Nomade kumpelhaft die Gäste unterhielt, erforschte
Leathan ihre Gedanken. Ohne es zu ahnen, stellte Sihldan die richtigen Fragen
und obwohl diese kaum wahrheitsgemäß beantwortet wurden, dauerte es
nicht lange, bis Leathan genug wusste, um präzise seine nächsten
Schritte planen zu können. Die Nacht war noch lange nicht vorbei, doch
erst musste er Sihldan loswerden, denn wenn sein Freund für seinen Feind
spionierte, musste er sich vor ihm verdeckt halten.
    *
    Kaum waren sie zurück in Kegalsiks Tempel,
verabschiedete sich Leathan von Sihldan und ging in sein Zimmer. Der Nomade würde
wohl jetzt zu Bett gehen, einschlafen und seine seltsame Spionagetätigkeit
unterlassen. Leathan verließ seine Räumlichkeiten erst eine halbe
Stunde später, in der Hoffnung diesmal alleine auf Erkundungstour gehen zu
können.
     
    Gerade hatte sich Sihldan zu Bett begeben, da klopfte
sein Diener an seine Tür, trat ein und flüsterte ihm die Botschaft
zu, die er gehofft hatte, nicht zu bekommen.
    „Herr? Wach auf, Herr! Leathan ist aufgestanden und hat
sein Zimmer wieder verlassen. Er scheint wieder hinausgehen zu wollen.“
    War Leathan denn nie müde? Knurrend stand Sihldan auf,
zog sich rasch an und eilte unwillig wieder hinaus, um seinen Freund durch die
Nacht zu verfolgen. Eine undankbare Aufgabe! Leise schlich er durch die
Straßen und war kaum erstaunt zu sehen, dass Leathan wieder ohne Pferd,
zielstrebig denselben Weg einschlug wie zuvor. Es war ein leichtes Unterfangen,
unbemerkt zu bleiben, denn die Straßen waren zu dieser späten Stunde
belebter als am Tage. Erstaunlich, wie viele Menschen auf die Dunkelheit
warteten, um nach Unterhaltung zu suchen. Was sollte eigentlich diese sinnlose
Suche nach Zerstreuung mitten in der Nacht? Bei den

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