Die Quellen Des Bösen
in einem leichten geschwungenen Kurs.
»Du siehst aus wie eine träge Fahne«, lachte Estra leise.
Kaum berührten seine Füße den Boden, nahm er die passende Hülle aus ihrer Hand entgegen und verstaute das wundersame Schwert.
»Wer auch immer diese Waffen schuf, es muss mehr als nur Schmiedekunst im Spiel gewesen sein«, meinte er beeindruckt und betrachtete den langen Riss, den er von oben bis unten in den Pfeiler gezogen hatte. Er klopfte dagegen. »Glück gehabt. Er hält.«
»Die Wachen waren vorhin hier«, berichtete seine Gehilfin und verdrehte die Augen. »Einer der Männer wollte unbedingt wissen, wo ich wohne.«
»Sei doch froh, wenn du Artgenossen mit Geschmack triffst«, grunzte das Sumpfwesen heiter. »Und das meinte ich nicht in Bezug auf die Qualität ihres Fleisches.« Er hielt ihr das Schwert hin. »Sieh her.«
»Eine aldoreelische Klinge«, raunte sie ehrfurchtsvoll. »Wie sie bestimmt auch mein Vater führte.«
Sie hörten Schwingenschlag. Der Beobachter flog eine Schleife über ihren Köpfen und segelte davon, um sich einen besseren Platz zu suchen.
»Etwas hat ihn wohl verscheucht«, schätzte Estra.
Der Inquisitor vertraute dem Instinkt des Wesens und rannte los. »Lauf!«, befahl er ihr.
Knirschend sackte der rechte Teil der beschädigten Säule hinab, einen Lidschlag später gab der linke Teil dem tonnenschweren Gewicht nach. Unter der Last brach die Säule in sich zusammen. Das Rumpeln und Dröhnen brachte die nähere Umgebung zum Erzittern, eine Staubwolke breitete sich aus.
Pashtak wurde langsamer und schaute nach seiner Gehilfin, die auf ihn zulief. Die Gefahr war keineswegs gebannt. Die schwarze Marmorkugel donnerte heran.
»Nach rechts!«, schrie er. »Nach rechts! Ausweichen, Estra!« Er flog der heranwachsenden Frau förmlich entgegen, die von der Bedrohung nichts bemerkte, und riss sie mit sich zur Seite.
Sie hoben die staubigen Gesichter und beobachten hustend, wie das Unheil seinen Lauf nahm.
Das runde Gebilde walzte an ihnen vorbei und rauschte geradewegs in den Tzulantempel. Sie hörten, wie es im Innern der Verehrungsstätte mehrfach krachte, und kurz darauf sackte das Dach nach unten. Es dauerte nicht lange, und der gesamte Tempel des Gebrannten Gottes fiel in sich zusammen.
Estra rollte sich auf den Rücken und stützte sich mit den Ellbogen auf. »Wenn das mal kein Zeichen ist«, meinte sie trocken. Pashtak knurrte unfroh.
Einige Tage nach dem unfassbaren Vorfall, wobei es dem Inquisitor und seiner Gehilfin tatsächlich gelang, ihre Beteiligung geheim zu halten, ereignete sich das nächste Unvorhergesehene. Die Versammlung der Wahren wurde außerhalb des üblichen Besprechungszeitraumes einberufen.
An Pashtaks Seite, wenig nach hinten versetzt, befand sich Estra.
»Zwei Gründe habe ich, um euch alle an diesem Morgen zusammenzurufen«, begann Leconuc. »Zum einen möchte ich euch um die Zustimmung bitten, dass Inquisitor Pashtak sich um das verwunderliche Zusammenbrechen des Tzulan-Monuments kümmert. Ich möchte ausschließen, dass es sich dabei um die Tat von Fanatikern gehandelt hat. Andernfalls könnte man es durchaus als Zeichen ansehen.«
Ungemütlich rutschte Pashtak auf seinem Sessel hin und her. Er gab sich Mühe, seine Verlegenheit zu verbergen.
Das Gremium stimmte geschlossen für die Untersuchung.
Es hätte schlimmer kommen können, beruhigte er sich innerlich. Jetzt würde er dafür sorgen, dass die Ereig- nisse mit Sicherheit als eine göttliche Weisung gesehen werden.
Leconucs Ausdünstungen verrieten ihm, dass die zweite Angelegenheit anscheinend weniger leicht wurde. Erstaunt bemerkte er die Spur von Angst, die sich in dessen charakteristischen Körpergeruch mischte.
»Ein Bote hat die Ankunft hochrangiger Gäste angekündigt, die auf dem Rückweg aus Ilfaris einen Umweg über Ammtára nehmen.« Der Vorsitzende stützte sich am Tisch ab und schaute in die Gesichter der Versammelten. »Wir erwarten im Lauf des Nachmittags einen Überraschungsbesuch der hoheitlichen Tadca, Zvatochna Bardri¢, und ihres Bruders Krutor. Was immer das zu bedeuten hat.«
Das Gremium reagierte zunächst mit Schweigen. Die Mitglieder spekulierten, was das Auftauchen der Schwester des Kabcar zu bedeuten habe. Nachdem jeder zu seiner Meinung gekommen war, sprachen alle durcheinander, ohne sich durch Leconuc zur Ordnung rufen zu lassen. Die einen fürchteten um den Fortbestand Ammtáras, die anderen sahen es als Signal, dass man die Stadt und ihre Bemühungen
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