Die Räder des Lebens
Narren zu machen oder als so gefährlich zu erweisen, dass man sie nicht mehr erdulden konnte. Hornsby hatte das Holster geöffnet, die Hand auf der Waffe, aber er starrte Boas an. »Du sprichst auch englisch?«
»Es ist die lingua Anglica der Mauer.«
»Er ist gebildet«, fügte Paolina hinzu, die sich wieder unter Kontrolle hatte.
Der Hauptmann kam zu einem Entschluss, das konnte sie an seinem Gesicht ablesen. »Ich werde Sie in unser Lager bringen«, sagte er zu ihnen. »Sie werden zu Ihrem eigenen Schutz bewacht werden, bis mein Amtskollege, der sich um die Angelegenheiten rund um die Mauer kümmert, Zeit findet, sich mit Ihnen zu unterhalten. Danach werden Sie entweder freigelassen, oder wir werden weitere Maßnahmen besprechen. In beiden Fällen sind Sie vor weiteren Belästigungen geschützt.«
»Habe ich Ihr Wort als englischer Offizier?«
»Das haben Sie.«
Sie fühlte sich erniedrigt und beleidigt, aber sie erhielt das, was sie sich gewünscht hatte – den Zugang zum englischen Lager. »Vielen Dank. Ich habe nur eine Frage, Sir.«
»Ja?« Er verschloss die Kappe seines Holsters.
»Ist Ihr Amtskollege ein Zauberer?«
Hornsby schüttelte den Kopf. »Kommen Sie herein. Ich werde ihn unsere Lage erklären lassen. Eins werde ich aber sagen: Er diente auf genau dem Schiff, das Sie erwähnt haben, der Bassett . Wenn jemand Zauberer kennt, dann definitiv der Bootsmann.«
Sie versuchte, ihr triumphierendes Lächeln zu verheimlichen, war aber sicher, dass der Offizier es bemerkte, als er laut pfiff, um das Tor wieder öffnen zu lassen und sie ins Lager zu begleiten.
Sie saßen in einem kochend heißen, sehr hohen Zelt aus hellem Segeltuch. Es gab weder Liegen noch Betten. Stattdessen bestand die Innenausstattung aus einem Klapptisch und sechs Stühlen. Vor den Segeltuchwänden standen mehrere Gestelle, auf denen Korkbretter angebracht waren. Sie war sich nicht sicher, wofür sie gedacht waren.
»Da sind wir also.« Paolinas Nervosität hatte ihre Begeisterung besiegt. Die wenige Geduld, die ihr noch verblieben war, verschwand mit einem Schlag.
»Ich kann nicht nachvollziehen, was du als Nächstes zu erreichen hoffst«, sagte Boas. »Und ich kann mir noch weniger vorstellen, was mit mir geschehen wird. Ich habe die Obrigkeit verraten. Ich bin dir verpflichtet. Wirst du auf einem Schiff nach England reisen und mich als Diener, Sklaven und Leibwächter mitnehmen?«
»Du hast dir Gedanken gemacht.« Sie sprach leise zu ihm. »Nein, mein Freund, du bist mir nicht verpflichtet. Überhaupt nicht.«
»Du hast mir meine Sehkraft genommen und mir dann wieder gewährt.«
»Das war falsch von mir.« Ihr Selbstwertgefühl war Paolina wichtig, und deswegen musste sie dies in Ordnung bringen. »Ich berufe mich auf meine Dummheit und meine Unwissenheit. Ich möchte dir dein Wort sagen, das Wort, das jenseits deiner Gedanken steht, und dir mit diesem Wort die Obhut über dich selbst zu übergeben.«
»Du kannst mein Wort nicht aussprechen.« Er war missmutig, so missmutig, wie diese anmutige mechanische Stimme jemals sein konnte. »Du hältst mein Wort nicht in deinen Händen, genauso wenig wie ich.«
Sie hatte einen Gedankenblitz und wusste die Antwort, die ihr ständig auf der Zunge gelegen hatte, seit er ihr das erste Mal sein Problem berichtet hatte. »Nein, aber ich kann dir sagen, was dein Wort ist.«
»Warum? Steht es auf meiner Stirn geschrieben?«
»Nein, mein Freund.« Paolina schüttelte ihren Kopf und lächelte. »Es steht in deinem Kopf geschrieben, in diesen Kristallen und Electronenröhren, aus denen deine Gedanken bestehen. Denk doch: Alle Männer aus Messing sind begabt. Ihr seid stark, ihr verfügt über Verstand, seid intelligent, besitzt Scharfsinn und gutes Urteilsvermögen. Alles, was ein fähiges und vernünftiges Wesen besitzen sollte.«
»Ich werde dir für deine Schmeicheleien nicht danken«, sagte Boas knapp.
Er ist so menschlich, dachte sie. »Keine Schmeicheleien. Eine Beschreibung. Du besitzt all diese Fähigkeiten und mehr. Aber es gibt ein Ding, das jedem Messing fehlt, vom ersten Messing an bis zum heutigen Tag.«
»Uns fehlen viele Dinge. Seelen. Individualität. Willensfreiheit.«
Paolina lächelte. »Diese Dinge gehören allesamt dazu. Ihr habt keinen Namen. Ohne einen Namen gibt es kein ›Ich‹, keine Möglichkeit, dass das strahlend helle Funkeln in deinen Augen mit sich selbst in Verbindung treten kann. Ohne Doppeldeutigkeiten oder Missverständnisse.«
»Name?« Er
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