Die Raffkes
Schwein.«
Unvermittelt wurde er weinerlich und beklagte sich lautstark über eine gewisse Carmen. Sie sei ein viel größeres Schwein und würde mit jedem in der Straße ficken, der gerade Lust hätte. Und er sei so dumm gewesen, sie zu heiraten, obwohl alle seine Freunde gesagt hätten: Lass die Finger von der!
»Was soll das?«, empörte sich Gerti. »Jeden Tag säufst du dir die Hucke voll, gehst nach Hause und schmeißt Carmen in die Ecke. Du bist doch wahnsinnig, Mann!«
»So isses nicht!«, brüllte Ferdi.
»Aber sicher ist es so«, keifte Gerti. »Keinen Cent gibst du Carmen, nicht mal was zu essen kann sie sich kaufen. Scheiße, Mann, das ist die Wahrheit.« Auch sie hatte zu brüllen begonnen.
Ein Mann am anderen Ende der Theke mischte sich ein: »Beruhige dich, Gerti. Er ist doch wieder voll!«
»Dann schaff ihn raus!«, forderte Gerti grollend.
Mann bekam einen energischen Stoß in die Seite, flog ein Stück nach links und erlebte hautnah mit, wie ein großer, dicker Kerl Ferdi hochnahm wie ein Puppe und ihn zum Ausgang schleppte.
»Ist doch wahr«, seufzte Gerti.
Mann bestellte noch eine Bulette und eine Gurke und ließ sich eine Schachtel Zigaretten geben. Er war jetzt seit fast einer Stunde hier und überzeugt davon, an der richtigen Stelle zu sein. Er machte ein möglichst freundliches Gesicht und keiner kümmerte sich mehr um ihn. Das war ihm recht.
Dann gab es noch einen kleinen Zwischenfall: Eine Frau mit zwei kleinen Kindern stand plötzlich in der Tür, sagte kein Wort, starrte nur wütend in eine Ecke.
»Kalli!«, schrie Gerti. »Du wirst abgeholt.«
Als Kalli weg war, beugte sich Gerti zu Mann hinüber und sagte erstaunlich sanft: »Komisch ist das schon. Du bist nicht der Erste. Vorgestern waren schon zwei Jungs hier, die nach Benny gefragt haben.«
»Das juckt mich nicht«, murmelte Mann in sein Bier. »Weißt du, Benny war ein erstklassiger Computermann. Und er hat mir ein Programm versprochen. Jetzt frage ich mich, wo seine Sachen geblieben sind. Oder ob jemand seine Computersachen übernommen hat. Er muss doch Freunde gehabt haben. Vielleicht hatte er das Programm ja schon fertig.«
»Die beiden, die vorgestern nach Benny fragten, waren todsicher keine Bullen. Bist du ein Bulle?«
»Sehe ich so aus?«, fragte Mann empört. »Was wollten denn die beiden Typen?«
»Sie haben behauptet, Benny schulde ihnen Geld. Das waren so richtige Schläger, nichts in der Birne, aber garantiert Waffen dabei. Doch Benny schuldete nie im Leben irgendwem Geld. Benny verdiente nämlich gut.«
»Kann sein«, nickte Mann und tat so, als würde er wieder jedes Interesse verlieren. Er bestellte das fünfte Bier.
Nach zwanzig Minuten sagte Gerti: »Das mit Benny ist merkwürdig. Ich glaube nicht, was in der Zeitung stand. Benny hat doch keine Bank erpresst! Das ist doch Stuss – Benny war ein guter Kumpel.«
»Tja«, sagte Mann wegwerfend, »davon habe ich keine Ahnung. Ich hatte ihm schon einen Tausender für das Programm angezahlt. Und dann höre ich: Der hat sich aufgehängt.«
»Er war noch einmal hier«, erzählte Gerti eine Weile später, während sie pausenlos Bier zapfte. »Hier bei mir drin. Morgens, die Putzfrau war grad da. Er kam rein und sagte: Wie geht es denn so? Ich war richtig froh, dass er wieder da war. Natürlich habe ich geglaubt, er wohnt wieder gegenüber. War aber nicht so.«
»Und dann?«, fragte Mann neugierig.
»Na ja, dann rückte er damit raus, dass er woanders untergekommen ist. Er sagte, es sind Leute hinter ihm her.«
»Ach, du Scheiße!«, sagte Mann erstaunt.
Sie nickte ihm bedeutungsvoll zu und trug ein Tablett mit Bier aus.
»Das habe ich auch gesagt«, fuhr sie fort, als sie wieder an ihren Zapfhähnen stand. »Ich habe ihn gefragt, was er jetzt macht. Sagt er: Ich habe eine Ausweiche in Marzahn. Und dann sagte er noch etwas: Gerti, halt aber den Mund. Wenn irgendwas los ist bei mir, wenn jemand nach mir fragt, dann sag nichts. Du weißt nichts! Aber merk dir meine Adresse: Rhinstraße 56. Wenn was ist, setz dich in ein Taxi, komm dahin, ich bezahle. Ich habe richtig Angst bekommen, weißt du. Na ja, ein paar Stunden später war sowieso alles zu spät. Da hatte er sich dann aufgehängt.« Plötzlich, wie mit jäh aufwallender heimlicher Liebe fragte sie: »Glaubst du, dass so ein Netter sich aufhängt? Also ich nicht!«
Mann blieb noch eine Anstandszeit bei ihr stehen, wollte wissen: »Hast du den Schlägertypen die Adresse gegeben?«
»Doch nicht diesen Heinis.«
Wenig später
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