Die Rebellion
habe mich bereits gefragt, wann Ihr Euch bei mir melden würdet. Ja, ich weiß, aus welchem Grund Ihr anruft, und
nein, ich kann Euch nicht helfen. Ihr seid draußen, meine verehrte Adrienne, so weit draußen, daß ich Euch von hier aus
nicht einmal mehr sehen kann, und nichts außer einem kleinen
Wunder oder direkter göttlicher Intervention kann Euch wieder
zurückbringen. Euer Clan ist in alle Winde verstreut, und Eure
Kreditwürdigkeit ist so tief gesunken, daß man einen Schaufelbagger benötigt, um sie wiederzufinden. Ich persönlich bin fest
davon überzeugt, daß niemand es so sehr verdient wie Ihr,
Liebste. Ihr wart nie wirklich eine von uns, Adrienne, mit Eurem lockeren, vorlauten Mundwerk und Eurer beleidigenden
Art. Ihr habt Euch nie um Etikette, Anstand oder einen höflichen Umgangston geschert. Ihr habt immer nach einem Skandal gestrebt; aber um ehrlich zu sein, Ihr wart zu langweilig
dazu. Ich an Eurer Stelle würde zu meinen Freunden rennen
und sie um Schutz bitten, doch Ihr habt keine Freunde, nicht
wahr? Lebt wohl, Adrienne. Und ruft diese Nummer nicht wieder an.«
Chantelles Gesicht verschwand vom Bildschirm. »Lebt wohl,
Chantelle«, knurrte Adrienne. »Die Pest soll Euch holen!«
Sie überlegte, ob sie Chantelle noch einmal anrufen sollte,
nur um sie daran zu erinnern, daß ihre Kleider immer gezielten
Brechreiz bei jedem hervorgerufen hatten, der auch nur eine
Spur von Geschmack besaß. Plötzlich summte ihr Schirm und
informierte sie über einen angehenden Anruf. Einen Augenblick lang saß Adrienne einfach nur da. Niemand hatte sie angerufen, seit sie hier eingezogen war. Schon allein aus dem
Grund nicht, daß die meisten Leute überhaupt keine Ahnung
hatten, wo sie Unterschlupf gefunden hatte, und die, die es
wußten, waren vorsichtig genug, sie nur persönlich aufzusuchen. Adrienne gab sich einen Ruck und nahm den Anruf entgegen. Vielleicht hatte sie in der Lotterie gewonnen. Der Bildschirm erhellte sich und zeigte Lord Gregor Shreck, das Oberhaupt des Shreck-Clans. Ein zu kurz geratenes Butterfaß von
einem Mann mit aufgedunsenem Gesicht und kleinen, tief in
den Höhlen liegenden Augen. Der Shreck war einer der gefährlichsten Männer in der gesamten Gesellschaft. Hauptsächlich
deswegen, weil er sich einen Dreck darum kümmerte, welche
Konsequenzen seine Handlungen nach sich zogen, solange er
nur bekam, was er wollte.
»Meine liebe Adrienne!« begann der Shreck mit einer vor
Freundlichkeit triefenden Stimme, die von seinen Augen Lügen
gestraft wurde. »Ich habe Euch einen Vorschlag zu unterbreiten. Ein kleines Geschäft, Geben und Nehmen zu unserem beiderseitigen Vorteil. Seid Ihr vielleicht interessiert?«
»Es kommt darauf an«, erwiderte Adrienne mit ihrer eisigsten Stimme. Es war nicht gut, mit dem Shreck vertraulich zu
werden. Er nutzte es nur aus. »Was wollt Ihr von mir? Als
wenn ich es nicht bereits wüßte.«
»Ihr habt ihn nie gemocht, Adrienne, selbst dann nicht, als er
Euer Gatte wurde. Und Ihr habt wirklich nichts anderes mehr,
mit dem Ihr handeln könntet. Es ist überhaupt nicht schwierig.
Setzt Euch einfach nur mit Finlay in Verbindung, und überredet ihn, zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Untergrund
aufzutauchen und Euch an einem bestimmten Ort zu treffen,
wo wir ihn erwarten können. Wir werden ihn schnappen, und
Ihr könnt in die Gesellschaft zurückkehren, als wäre nichts
geschehen.«
»So viel Einfluß besitzt nicht einmal Ihr, Lord Gregor.«
»Aber ich werde ihn besitzen, sobald ich Finlay habe.«
»Was macht ihn denn so wichtig?«
»Das braucht Ihr nicht zu wissen, meine Liebe.«
»Was wird mit ihm geschehen?«
»Warum macht Ihr Euch deswegen Gedanken? Ich schlage
vor, Ihr überlegt Euch mein Angebot gut, solange es steht. Finlay ist im Augenblick ein sehr heißes Eisen, und eine Menge
Leute sind ihm auf den Fersen. Er hat eben erst Lord William
Saint John ermordet und ist trotz einer wilden Verfolgungsjagd
entkommen.«
»Einen Augenblick«, unterbrach Adrienne überrascht. »Wartet mal. Was sagt Ihr da? Finlay hat jemanden ermordet?«
»Jawohl. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, wenn ich es
nicht mit eigenen Augen in den Nachrichten gesehen hätte. Er
ist ein ganz vorzüglicher Schwertkämpfer. Ich kann nur vermuten, daß er im Untergrund Unterricht genommen hat. Aber
macht Euch deswegen keine Sorgen. Ich habe mehr als genug
Männer, um mit ihm fertig zu werden.«
»Saint John ist tot? Der persönliche
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