Die rechte Hand Gottes
nicht die Geduld, bis zur Messe um 18 Uhr zu warten. Er verließ das Kloster und ging den Weg entlang, der in Serpentinen zum Marktflecken führte, als die Glocken zur Ablösung der Wächter der immerwährenden Anbetung läuteten.
Wie jeden Samstagnachmittag war bei den Coutoulys das ganze Haus voller Mütter, die einmal in der Woche ihre Sprößlinge besuchen kamen.
Justinien hackte im voraus Holz und jätete im Hof das ganze Unkraut, das er dann an die Stallhasen verfütterte.
Am Abend wusch er sich Gesicht und Hände und machte sich auf den Weg zur Pont du Saint-Esprit. Unter seinem
Hemd hatte er eine Flasche spanischen Wein versteckt, den er aus Papa Martins Vorräten gestohlen hatte. Den Diebstahl setzte er mit auf die Liste seiner Todsünden. So weit war es also schon mit ihm gekommen!
Die Gaukler waren hocherfreut, als sie die Flasche vorzüglichen Weins erblickten, und luden ihn ein, mit ihnen zusammen zu Abend zu essen.
Später - er war schon halb betrunken, und sein Herz quoll über vor zärtlicher Mitteilsamkeit - schlug er ihnen vor, sich ihnen anzuschließen und ihnen, wohin sie auch gingen, zu folgen.
» Ich habe schon den ganzen Tag darüber nachgedacht... Laßt mich euch begleiten, wenigstens bis Marseille ... Ich möchte so gerne das Meer sehen«, fügte er hinzu und starrte dabei auf Mouchettes Busen, der sich unter der Korsage wölbte.
»Was kannst du denn?« wollte Baldo wissen.
» Ich kann lesen und schreiben, sogar auf Latein. Und ich kann rechnen.«
Sie brachen in schallendes Gelächter aus. Sogar Mouchette, die ihm nachschenkte.
»Kannst du singen, tanzen, jonglieren, einen Salto rückwärts machen? Kannst du wenigstens auf Händen gehen? Nun, man könnte es dir beibringen, aber du müßtest natürlich während deiner Lehrzeit Kostgeld zahlen. Glaub mir, unser Leben ist kein Zuckerschlecken, wir schlafen öfter mit leerem als mit vollem Magen, also, wenn wir noch ein Maul mehr zu stopfen hätten. ..«
»Dann ist es also abgemacht? Ihr nehmt mich mit?« rief Justinien begeistert.
»Langsam, langsam! Ich habe gesagt, daß du Kostgeld zahlen mußt. Hast du denn Geld?«
»Das hängt von der Summe ab«, sagte er und dachte dabei an das restliche Geld von seinem Taler, der drei Livres wert war.
Er sah nicht, wie la Margote ihrer Tochter ein Zeichen gab, ihm wieder nachzuschenken.
»Zehn Sols für die Unterkunft, zwanzig Sols fürs Essen und siebzig Sols für deine Ausbildung, im Monat. Es wäre besser, wenn du gleich für sechs Monate im voraus bezahlen könntest.«
Obwohl er betrunken war, rechnete Justinien aus, daß das sechshundert Sols, also dreißig Livres machte!
»Das ist viel.«
»So ist es nun mal.«
»Wenn ich das Geld auftreibe, müßt ihr aber das Geld von meinem Taler von der Summe abziehen.«
Er schätzte, daß ihm, selbst wenn man für die letzte Nacht den doppelten Satz veranschlagte, etwas mehr als ein Livre übrigbleiben müßte. Diese Mahnung führte dazu, daß Mouchette enttäuscht das Gesicht verzog.
»Ich dachte, du hättest mir das Geld geschenkt.«
Justinien suchte in seiner Erinnerung vergeblich nach einem solchen Versprechen.
»Das ist ein Mißverständnis ...«
Die beleidigte Miene der jungen Frau ließ ihn die Beherrschung verlieren. Baldo schlug schließlich vor:
» Komm morgen abend mit bloß fünfzehn Livres oder mit etwas, das den gleichen Wert hat, und du kannst drei Monate lang mit uns ziehen.«
Mouchette schenkte nach. Sie stießen miteinander an, um die Vereinbarung zu bekräftigen.
Baldo spielte eine traurige Melodie auf seiner Harfe, während Vitou mit brennenden Fackeln jonglierte. La Margote schlief ein und schnarchte. Da Mouchette keine Anzeichen machte, sich die bunte Decke zu nehmen, wurde Justinien ungeduldig.
»Nicht heute abend«, sagte sie griesgrämig. »Ich fühle mich, als hätte ich glühende Steine in meinem Kopf.«
»Aber ich, ich habe Lust.«
»Ich nicht.«
Sprach's und verschwand im Innern ihres Wagens. Er sah, wie sie die Schnüre der Plane zuband.
Ernüchtert stand Justinien auf und verließ den Lagerplatz,
ohne auf Baldos Einladung, noch ein Glas mit ihnen zu trinken, zu antworten,
Er war derart gekränkt, daß er felsenfest entschlossen war, Mouchette nicht wiederzusehen. Dann bekam er sein Geld eben nicht wieder zurück, dann reiste er eben nicht nach Marseille. Er würde das Meer ein andermal sehen.
Wenn er an diesem Abend auch früh zu Bett ging, so hatte er doch die größten Schwierigkeiten
Weitere Kostenlose Bücher