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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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was in der Stadt vor sich ging. Hatte er gerade einen Vertrag mit einem Judenmörder geschlossen? »Gott beschütze Euch, Ulrich Stromer, und Eure Familie«, erwiderte er tonlos, trat auf die Straße und wandte sich ab.
    Hinter ihm schloss sich die Tür.
    Benommen blieb Johann vor dem Haus stehen. Er hatte richtiggelegen mit seinem Verdacht, dass ein Unglück heranzog. Und wie in Rothenburg würde niemand eingreifen, um es zu verhindern.
    Johann lenkte seine Schritte in Richtung des Pegnitzufers, in dessen Nähe die Synagoge stand. Angeblich sollte hier ein Marktplatz entstehen mit einer großen Kirche zu Ehren der Heiligen Jungfrau im Zentrum. Würde sich die Gottesmutter auch dann noch geehrt fühlen, wenn ihre Kirche mit Blut und Tod bezahlt wurde? Johann schüttelte den Gedanken ab. Von diesen Dingen verstand er nichts. Von irgendwoher hörte er eine Art Dröhnen, das langsam anschwoll, je näher er kam.
    Als er um die nächste Straßenecke bog, sah er sich einer grölenden Menschenmenge gegenüber, die sich um eine Gruppe Männer scharte. Johann konnte nicht erkennen, was diese Männer taten, er sah nur ihre kahl geschorenen Köpfe.
    Er tippte einer Frau auf die Schulter. »Was geht hier vor?«, schrie er, den Lärm übertönend.
    Die Frau wandte Johann ihr Gesicht zu, es war gerötet und glänzte von Schweiß. Sie stank, als wäre sie in einen Schweinekoben gefallen. »Die Geißler!« Ihre Stimme war schrill. »Sie sind hier! Das Jüngste Gericht steht bevor! Der Herr wird uns alle richten!«
    Johann schob sich nach vorn, und nun sah er die Männer, um die sich die Schaulustigen scharten, in voller Größe. Es waren ungefähr ein Dutzend, alle schmutzig und ausgemergelt. In ihren Augen glühte etwas, das Johann schon einmal beim Sohn eines Bauern gesehen hatte, in den der Leibhaftige hineingefahren war.
    Einer der glatzköpfigen Männer stand plötzlich genau vor Johann. Er hielt eine blutige Lederpeitsche in der Hand und drohte mit seinen dürren Fingern: »Beichte deine Sünden, Unwürdiger!« Dann schlug er sich die Riemen auf den Rücken, und Johann erkannte, dass das Blut an der Peitsche sein eigenes sein musste.
    Hinter dem Glatzkopf warfen sich die übrigen Geißler in den Schmutz der Straße. Sie streckten sich der Länge nach aus, und ein anderer hieb mit seiner Peitsche auf sie ein. Sie stöhnten und wanden sich auf dem Boden. Johann erschien es, als empfänden sie keinen Schmerz, sondern Lust.
    Der Glatzkopf sank auf die Knie, verdrehte die Augen und gab ein Geräusch von sich, das wie der Brunstschrei eines Hirsches klang. Johann lief es eiskalt über den Rücken. Er musste hier weg. Mit Stübern und Stößen drängte er sich durch die Menschen, bis er die schaurige Versammlung hinter sich gelassen hatte.
    In einer einsamen Seitengasse warf er sich einen Umhang über und zog die Kapuze tief ins Gesicht. Keine Nacht länger hielt er es hier aus.
    Kaum war er ein paar Schritte gegangen, stellte sich ihm eine Gruppe Männer in den Weg und gebot ihm, stehen zu bleiben.
    Ein großer, vierschrötiger Kerl sprach Johann an. »Warum verhüllst du dich? Hast du etwas zu verbergen?«
    »Kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten«, herrschte Johann ihn an.
    »Hoho! Das könnte dir so passen! Wahrscheinlich bist du ein Judenknecht, der unsere Brunnen vergiften will. Packt ihn!«
    Die Männer griffen Johann, rissen ihm den Umhang vom Leib und hielten ihn so fest, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Sogar seinen Mund hielten sie zu. Einer durchsuchte ihn, fand den Vertrag mit Stromer und zeigte ihn dem vierschrötigen Kerl, der wohl der Anführer war. Zu Johanns Überraschung konnte der Bursche lesen. Vorsichtig rollte er das Dokument wieder zusammen, nickte den Männern zu, die Johann sofort freiließen.
    »Johann von Wallhausen aus Rothenburg ob der Tauber! Warum habt Ihr nicht gleich gesagt, dass Ihr zu Stromer gehört? Wir haben schon gedacht, Ihr seid eins dieser Judenschweine, die mit einem gefälschten Passierschein die Stadt verlassen wollen.« Er reichte Johann das Pergament.
    »Gefälschte Passierscheine?«
    »Ja, es ist unglaublich. Uns sind mindestens dreihundert Juden entwischt! Manche sind nach Regensburg. Stellt Euch das vor! Dort werden die Juden von den Bürgern geschützt! Der Teufel soll die ganze Stadt holen. Andere sind nach Prag, da können sie bei Karl, dem Judenkönig, unterkriechen.« Er senkte die Stimme. »Man munkelt, manche Passierscheine seien gar nicht gefälscht, sondern

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