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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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aber ich habe ein Heilmittel.«
    Er eilte davon und kehrte gleich darauf mit einem Honigtopf zurück.
    Julie ließ mehrere Löffel Honig auf ihrer Zunge zergehen, schluckte und machte versuchsweise: »Aaaaah.«
    Allen fiel ein Stein vom Herzen.
    »Welch ein Glück, daß die Insekten dieses Allheilmittel erzeugen!« rief der Direktor. »Meine Frau kuriert sogar Grippe mit Honig.«
    Überglücklich, ihre Stimme wiederzuhaben, probierte Julie die ganze Tonleiter durch.
    »Also, seid ihr bereit?«
     

91. ENZYKLOPÄDIE
     
    Zwei Münder: Im Talmud heißt es, der Mensch besitze zwei Münder, den oberen und den unteren.
    Der obere Mund löse mit Hilfe der Sprache körperliche Probleme, denn die Sprache vermittelt nicht nur Informationen, sondern vermag auch zu heilen. Der ›obere Mund‹ stellt den Kontakt zur Umwelt her, definiert den Platz des Menschen in Zeit und Raum. Der Talmud rät von der Einnahme zu vieler Medikamente ab, weil diese das Wort behinderten.
    Sprachlosigkeit führe aber unweigerlich zu allen möglichen Krankheiten.
    Der zweite Mund des Menschen sind seine Geschlechtsorgane. Durch sexuellen Genuß und Fortpflanzung schafft er sich einen Freiraum und schlägt einen neuen Weg ein, der sich von jenem der Familie, aus der er stammt, unterscheidet. Jeder Mensch kann seinen Kindern andere Werte vermitteln, als seine eigenen Eltern ihm vermittelt haben.
    Der ›obere Mund‹ wirkt auf den unteren ein, denn man verführt einen Menschen mit Worten, doch auch der ›untere Mund‹ wirkt auf den oberen ein, denn durch das Geschlechtliche entdeckt man seine eigene Identität.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

92. ERSTER SPRENGUNGSVERSUCH
     
    »Wir sind soweit.«
    Maximilien betrachtete die Pyramide, auf deren Seitenflächen Sprengstoff angebracht worden war. Sie würde ihn nicht mehr lange ärgern!
    Die Spezialisten wickelten das lange Zündkabel ab und brachten sich in Sicherheit.
    Der Kommissar gab dem Sprengmeister ein Zeichen.
    »Fünf … vier … drei … zwei …«, zählte der Mann.
    Bzzz …
    Der Sprengmeister stürzte kopfüber ins Gras, betäubt von einem Stich in den Hals.
    Schon wieder die Wespen, die sich als Hüterinnen der Pyramide aufspielten!
    Maximilien befahl seinen Männern, ihre nackte Haut zu schützen, und machte es ihnen vor, indem er seinen Kragen hochstellte und seine Hände in die Hosentaschen steckte. Mit dem Ellbogen drückte er auf den Hebel der Zündbatterie.
    Die Explosion blieb aus.
    Er untersuchte das Zündkabel und stellte fest, daß es von winzigen Mandibeln durchtrennt worden war.
     

93. WASSER
    Die Seerose braust wie eine Rakete durch die Lüfte, und während dieses Höhenflugs können die Ameisen Kolibris und Eisvögel bewundern, die sie noch nie zu sehen bekommen haben. In ihrer Todesangst wissen sie das jedoch nicht zu schätzen.
    Nr. 103 läßt ihren Blick über die zwölf jungen Kundschafterinnen schweifen, deren Fühler vor Schreck zu Berge stehen. Sie ist sicher, daß dies das letzte Bild ist, das sie jemals sehen wird.
    Meine letzte Reise, meine letzten Impressionen, denkt Nr.
    103.
    Doch die Seerose ist den Gesetzen der Schwerkraft unterworfen. Wie ein außer Kontrolle geratener Aufzug rast sie der Erde zu. Nr. 103 krallt ihre Mandibel in ein Blütenblatt, um nicht davonzufliegen. Nr. 7 verliert den Halt wird aber von Nr.
    14 festgehalten, die sich ihrerseits an Nr. 11 klammert.
    Das Boot schlägt hart auf der Wasseroberfläche auf und taucht unter. Nr. 103 sieht einen Gründling mit runden Augen und zwei Wassermolche, doch dann dauert es nur den Bruchteil einer Sekunde, bis die Seerose zur Ruhe kommt.
    Die gefährlichen Stromschnellen liegen hinter ihnen, und neue sind nicht in Sicht. Erleichtert schütteln die Ameisen das Wasser von ihren Fühlern ab und stärken sich gegenseitig durch Trophallaxien. Alles ist wieder ganz normal. Eine Libelle verspeist eine Wasserjungfer und wird ihrerseits von einer Forelle geschluckt.
    Das Seerosenboot treibt auf dem Silberfluß in südliche Richtung, doch es ist spät am Tag. Die Sonne ist müde und geht unter. Alles wird grau in grau. Nebel macht sich breit, so daß die Sichtweite nur noch wenige Zentimeter beträgt, und das olfaktorische Radarsystem der Ameisen wird durch Wasserdampf behindert. Sogar die Seidenspinner, Meister der Standortbestimmung, verkriechen sich.
    Dafür tauchen einige Nachtpfauenaugen über dem Seerosenboot auf, und Nr. 103 bewundert ihre majestätischen

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