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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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sind schließlich Profis.
    Das Scheidungsgericht ist nicht gerade das prestigeträchtigste Revier für Reporter. Es steht nur eine Stufe über den Todesanzeigen oder der Berichterstattung über die Rotariertreffen, und es ist ein undankbarer Job. Zu viel Zeit im Gerichtssaal kann selbst aus blutigen Anfängern Alkoholiker machen. Die Verhandlungen sind langweilig, die Zeugenaussagen können sehr hässlich werden, und die Leute, die man dort trifft, haben eine Menge unlösbarer Probleme.
    Das Gerichtsgebäude von Palm Beach County unterscheidet sich nicht besonders von allen anderen im Land. Es ist nur eine weitere Clearingstelle an der Straße der zerbrochenen Träume, ein unwirtliches Labyrinth aus langen Korridoren voller Menschen, die am liebsten nicht dort gewesen wären. Junge Mädchen mit Halskrausen sitzen geduldig auf Holzbänken und warten darauf, gegen junge Männer in Handschellen und Gefängniskluft auszusagen. Alte Frauen schluchzen hemmungslos in überfüllten Fahrstühlen. Tobende Schwarze mit Goldzähnen werden von riesenhaften Gerichtsdienern aus den Sälen geschleppt. Betagte Geschworene werden wie Kriminelle zusammengepfercht, ohne die geringste Ahnung zu haben, was sie erwartet.
    Einzig die Anwälte haben in dieser Atmosphäre gut lachen. Sie hetzen von einem Prozesstermin zum anderen, mit randvollen Aktentaschen und gefolgt von teilnahmslos stierenden Gehilfen, die Pappkartons mit allem erdenklichen Beweismaterial schleppen, von schmutzigen Injektionsspritzen bis zu abgehackten Fingern und beeidigten Erklärungen von geistesgestörten Kriminellen, die noch so manches fette Hühnchen mit so manchen Leuten zu rupfen haben.
    Die Scheidungssache Pulitzer wurde in einem kleinen Anhörungsraum am Ende eines Korridors in der dritten Etage verhandelt. Für Zuschauer war kein Platz, und wer einen der neun Presseplätze bekommen wollte, der musste schon um sieben Uhr morgens persönlich erscheinen – oder an manchen Tagen auch früher –, um seinen Namen auf eine Liste setzen zu lassen.
    Eine komische Situation, wenn man bedenkt, dass die ganze Sache täglich für internationale Schlagzeilen sorgte. Richter Carl Harper war jedoch damit zufrieden. Er konnte Reporter sowieso nicht ausstehen und machte keinen Hehl daraus, dass er den ganzen Prozess für einen Schandfleck in der Geschichte der Menschheit hielt.
    Nach einem Gesetz des Staates Florida war Richter Carl Harper genötigt, eine fest installierte Fernsehkamera im Gerichtssaal zu dulden, sodass die Verhandlung für die Öffentlichkeit gefilmt und auch in einen Raum auf der anderen Seite des Korridors übertragen werden konnte, wo jedermann die Möglichkeit hatte, sich den Prozessverlauf unter relativ komfortablen Umständen anzuschauen, versorgt mit Zigaretten und Krapfen aus der Gerichtskantine. Im Raum für die Fernsehteams prüfte niemand die Presseausweise, und manchmal stand eine Handvoll Schaulustiger, die von den regnerischen Straßen hereingeschneit waren, neben den fünfzehn oder zwanzig Reportern vor dem Bildschirm.
    Das waren die Tribünenplätze beim Pulitzer-Prozess, besetzt von einem merkwürdig gemischten und manchmal rüpelhaften Völkchen, in dem alles vertreten war – von CBS-Fernsehproduzenten bis zu schlaksigen und baumlangen Frauen ohne BH und mit ausländischem Akzent, die erklärten, vom Spiegel und von Paris Match zu sein. Es war eine muntere Truppe, die den Verhandlungsverlauf mit großer Konzentration verfolgte, manchmal unter Beifallsbekundungen, manchmal mit lautem Buhen. Diese Leute glichen einer zusammengewürfelten Schar von Fremden, die sich jeden Tag in einem muffigen öffentlichen Vorführraum treffen, um gemeinsam eine Soap à la General Hospital anzusehen. Eines Nachmittags geriet Roxanne Pulitzer in Wut, als die Zeugenbefragung auf einen besonders abartigen Kurs geriet, und bei uns auf den Tribünenplätzen kam es zu lauten Gefühlsausbrüchen: »Los, zeig es ihnen, Roxy! Krieg sie am Arsch! Genau so, Roxy Baby! Lass sie nicht so über dich reden!«
    Der beste Arsch von Palm Beach
    Oberflächlich betrachtet war die Story überhaupt nicht kompliziert, sondern einfach nur das Märchen von Aschenputtel ohne Happy End, ein absurdes kleines Traktat über Verbrechen, Hybris und Strafe:
    Herbert »Pete« Pulitzer jr., 52-jähriger Millionär, Enkel des berühmten Zeitungsverlegers und Erbe nicht nur des Familiennamens, sondern auch des Vermögens, war endlich zur Vernunft gekommen und hatte die durchtriebene

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