Die Rose von Angelâme (German Edition)
Leben ihrer Frauen zu verschwinden hatten!“
Ein Hustenanfall unterbrach seinen verzweifelten Versuch, wenigstens für sich selber eine Antwort auf all die Fragen zu finden, die ihn seit Tagen quälten.
„Ist dieses verdammte Geheimnis wirklich den Preis wert, den wir alle dafür bezahlen? Den Preis, den Rose bezahlen muss?“
Jacques schüttelte schweigend den Kopf. Albert hätte sich für seine Meinung ohnedies nicht interessiert. Nicht jetzt.
„Frau“, flüsterte Albert heiser vor sich hin. „Ich habe einen heiligen Eid auf dich geschworen. Ich habe dir meine Seele verkauft. Hast du das alles wirklich so gewollt?“
Jacques erstarrte.
Albert erhob sich und wischte sich die salzigen Tränen vom Gesicht. Seine Augen waren verquollen und seine Nase lief. Er stand vor Jacques und schüttelte ihn stumm an den Schultern.
„Wir können nichts für sie tun, Albert. Die Bruderschaft kann sie nicht mehr beschützen.“
Albert sank vor dem Älteren auf die Knie und überließ sich seinem Kummer, indem er wieder hemmungslos weinte.
„Können wir denn wirklich nichts für sie tun?“, fragte er schluchzend und vermied es, sich vorzustellen, was die Höllenhunde der Inquisition mit seiner geliebten Rose anstellten, um an ihr Ziel zu gelangen.
„Sie wollen nicht, dass jemand etwas unternimmt“, antwortete Jacques und verfluchte den Tag, an dem er selber jenen Heiligen Eid geschworen und diese Verantwortung übernommen hatte, deren grausame Bürde ihn jetzt fast zu Boden drückte. Er hatte niemals geglaubt, dass die Bruderschaft Rose ein solch ungeheuerliches Opfer aufzwingen würde, um dafür zu sorgen, dass jene Bestimmung erfüllt würde, die als heilvoll galt.
Heilvoll! Jetzt erschien sie ihm nur noch unheilvoll und grausam.
„Es ist dafür gesorgt, dass Rose die Verhandlungen einigermaßen gut übersteht“, versuchte Jacques den Mann zu trösten, der noch immer vor ihm auf den Knien lag. Aber seine eigene, von Kummer gezeichnete Stimme versagte ihm schließlich den Dienst.
„Wie können sie nur so grausam sein! Die Verhöre sollen also dazu dienen, gewisse Dinge in die Zukunft zu tragen! Sind die von Gott verlassen? Gibt es denn keinen anderen Weg?“ Albert schrie den Oheim an, der ihn schweigend hochzog und auf einen Stuhl drückte. „Wie nun, wenn diese Rechnung nicht aufgeht, und meine Rose unter der Folter -” er legte die Arme auf die Tischplatte und ließ seinen Kopf darauf sinken. „Wenn sie unter der Folter …“
„Es ist völlig gleichgültig, was Rose ihren Peinigern erzählt“, sage Jacques mit beruhigendem Tonfall in der Stimme. Er hatte seine Fassung nach außen hin zumindest wieder gewonnen. „Sie werden Wort für Wort mitschreiben, und die Kirche sorgt dafür, dass diese Aussagen säuberlich aufbewahrt und zu ihrer Zeit zugänglich sein werden.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Sie halten die Aussagen aller sogenannten Hexen ganz genau fest, weil sie sich rechtfertigen müssen, wenn sie gefragt werden, was sie getan haben, verstehst du? Sie werden gerade ihre Aussagen genauestens notieren und an einem sicheren Ort aufbewahren, weil sie sich rechtfertigen wollen für alle Zeiten! Es wird der Tag kommen, an dem sich die Weissagung erfüllt, die wir nur in unserem Herzen tragen dürfen.“
„Aber meine arme Rose! Das Kind!“
„Was auch immer Rose angetan wird - es wird gesühnt werden, das verspreche ich dir. Aber jetzt müssen wir wegen des Kindes mit dem Weinhändler sprechen. Er sagte, er wisse Rat.“
Später, als der Weinhändler die beiden Männer in seinem Gasthause aufsuchte, nahmen diese dankbar die wohltuende Medizin eines jüdischen Arztes an, die ihnen zunächst einmal Ruhe brachte.
„Wir müssen Euer Erstgeborenes schnellstens in Sicherheit bringen“, sagte der Händler ernst, als Albert ihm schließlich, nach außen hin unter dem Einfluss der Droge zwar gelassen, aber innerlich trotzdem hellwach am Tisch gegenüber saß. „Deshalb habe ich eine Überfahrt für zwei Männer, eine Frau und ein Kind auf einem der Schiffe gebucht, die übermorgen früh den Hafen von Genua verlassen und Kurs auf Cypern nehmen.“
„Wir können doch nicht fliehen, während meine Frau von den Häschern der Inquisition zu Tode gefoltert wird! Es ist Wahnsinn, dass wir fliehen sollen, ohne wenigstens den Versuch zu wagen, sie aus diesem gottverdammten Gefängnis herauszukriegen.“
„Eine gute Bekannte von mir wird mit Euch reisen und sich um das Kind kümmern. Sie ist eine
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