Die Rose von Asturien
Türblatt war so massiv, dass der Lärm, den er machen musste, selbst Tote aufwecken würde. Als er in den Raum zurückkehrte, in dem die Männer zechten, lagen schon die Ersten am Boden und schnarchten. Tahir, der feiste Eunuch, hockte auf einem Kissen und schwankte, versuchte aber dennoch, den Becherzum Mund zu führen. Auch Zarif war bereits arg betrunken und verschüttete mehr als die Hälfte seines Bechers, während er trank.
»Der Mistbock ist auch gleich so weit!« Wie aus dem Nichts tauchte Ermo neben Konrad auf. Er hatte die Zeit genützt, sich im Haus bessere Kleidung zu besorgen, um nicht als Sklave erkannt zu werden. An seiner linken Hüfte hing ein Krummschwert, und im Gürtel stak ein Dolch. Mehr als Kleidung und Waffen schien er jedoch nicht gefunden zu haben, denn er trat jetzt zu den Schläfern und durchsuchte ihre Gürtel und Schärpen. Er brachte etliche Münzen zum Vorschein und steckte sie in seinen Gürtel. Zuletzt trat er neben Tahir, der zwar noch lallte, aber nicht mehr begriff, was um ihn herum geschah. Auch ihm nahm Ermo das Geld ab und ging dann zum Verwalter. Zarif trug als Einziger einen richtigen Geldbeutel am Gürtel. Ermo trennte diesen mit einem raschen Schnitt ab und wog ihn in der Hand.
»Ich glaube, damit komme ich durch das Land und über die Grenze.« Er besann sich kurz und warf dann Konrad die Handvoll Münzen zu, die er den anderen Betrunkenen aus den Gürtelfalten gezogen hatte.
»Hier! Ich will ja nicht so sein. Wenn du klug bist, verschwindest du jetzt ebenfalls. Allerdings sollten wir nicht zusammen fliehen. Die Mauren werden genau das annehmen und daher einem einzelnen Reiter weniger Aufmerksamkeit schenken als einem Paar.« Für Augenblicke tanzte Ermos Klinge vor Zarifs Kehle, dann zog er den Dolch zurück und steckte ihn wieder ein.
»Der Kerl ist es nicht wert, dass ich mir seinetwegen Blutrache auf den Hals lade. Und jetzt leb wohl, Konrad vom Birkenhof! Ich wünsche dir Glück. Vielleicht sehen wir uns in der Heimat wieder. Zwar werde ich dich dann genauso wenig leiden mögen wie jetzt, aber vielleicht können wir dort vernünftig miteinanderumgehen.« Ermo winkte Konrad noch kurz zu und verschwand dann in Richtung Stall.
Konrad beobachtete, wie der andere zwei Stuten ins Freie führte und sattelte. Danach stieg er auf eines der Tiere und lenkte es, die andere Stute am Zügel führend, zum Tor. Das öffnete er vom Sattel aus und ritt die Gasse hinab, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Für Augenblicke war Konrad wie gelähmt. Dann aber rannte er, so schnell er konnte, zum Tor und schloss es wieder. Während er ins Haus zurückhastete, gingen ihm Ermos letzte Worte über eine glückliche Heimkehr für sie beide durch den Sinn. Seltsamerweise schienen sie ernst gemeint gewesen zu sein. Auch ich wünsche uns beiden eine glückliche Heimkehr, dachte er und machte sich ans Werk.
16
M
aite stellte bei der Begrüßung besorgt fest, dass Ermengilda viel zu unruhig war. Man konnte ihr schon an der Nasenspitze ansehen, dass etwas nicht stimmte. Die Blicke der Asturierin schweiften unruhig umher, und sie stieß immer wieder unzusammenhängende Wortfetzen aus. Dabei bebte sie am ganzen Leib.
»Reiß dich zusammen!«, herrschte Maite die Freundin an, nachdem die Sklavin, die sie bedienen sollte, den Raum verlassen hatte, um Sorbet zu bereiten.
»Ich habe Angst! Beim Heiland, was ist, wenn man uns entdeckt und wieder einfängt? Ich will lieber mit meinem ungeborenen Kind sterben, als erneut in einen Harem gesteckt zu werden.«
»Dir ist es im Harem des Emirs nicht schlechter ergangen als manch einer Ehefrau! Ich hingegen …« Maite beendete denSatz nicht, doch ihre Miene verriet, dass sie Fadl Ibn al Nafzi nicht weniger hasste als Okin.
»Ich hoffe, Konrad macht alles richtig. Ich mag es gar nicht, auf andere angewiesen zu sein!« Maite legte die Finger um den Dolchgriff und schwor sich, eher von eigener Hand zu sterben, als dem Berber noch einmal zu Willen zu sein.
Sie vertrieb diesen Gedanken mit einem gekünstelten Lachen, fasste Ermengilda am Arm und zog sie auf das Sofa. Ihr Versuch, ein Gespräch zu beginnen, scheiterte jedoch, da ihre Freundin vor Angst kein Wort herausbrachte und sie sich selbst dabei ertappte, bei jedem Geräusch im Haus zusammenzuzucken.
Nach einer Weile brachte die Sklavin Sorbet und fragte, ob die Herrin noch weitere Befehle für sie habe.
Maite winkte ab. »Wir kommen schon zurecht. Du kannst gehen!«
Die Sklavin lief so schnell
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