Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
noch dem andern Mann. Ihr müßt den Gustav nach Haus’ schaff’n!«
»Ist’s bös, Herr Haubold?« fragte der Angeredete.
»Nein, lange net so schlimm, als ich vorerst gedacht hab’. Aber lauf’, damit ich net zu lang’ zu wart’n brauch’!«
»Könnt’n wir net hier Jemand’n find’n und aane Trag’ dazu?«
»Geh nur! Die Leut’ soll’n mit dem Teufelshof gar nix zu schaff’n hab’n; ich will sie net um ihre Seligkeit betrüg’n!«
»Ihr dürft nicht gar so bitter sein, Tannenbauer!« klang da eine milde Stimme. »Die Leute haben doch vielleicht nicht ganz allein die Schuld an dem, was Euch kränkt.« Es war der Pfarrer, welcher sich noch nicht gar lange Zeit im Amte befand und hier die ihm willkommene Gelegenheit ergriff, gegen das Vorurtheil und den Haß, von denen er so viel gehört hatte, nach besten Kräften anzukämpfen. »Ihr habt mehr als Eure Schuldigkeit gethan und es sehr wohl verdient, daß Euch Hilfe geleistet wird. Ist die Trage wirklich nothwendig?«
»Ja, weil’s so weit nach Haus’ ist, Herr Pastor, sonst könnt’ man sich auch ohne sie behelf’n. Er wird wohl arge Schmerz’n leid’n, wenn er aufwacht.«
»So dürft Ihr ihn gar nicht so weit transportiren. Schafft ihn nach meiner Wohnung, die ist ganz in der Nähe! Und wenn sich Niemand findet, der mit zugreifen will, so fass’ ich selbst mit an!«
»Ich dank’ Ihn’n schön, Herr Pastor,« meinte Haubold, innig erfreut über diesen ersten Beweis einer freundlichen Gesinnung, welcher ihm seit langer Zeit entgegengebracht wurde. »Ihr Anerbiet’n nehm’ ich um des Neffen will’n gern dankbar an. Aber dann sind wir schon selbst genug, ich und der Knecht. Ich verlangte nur den Anderen noch, weil ich gleich nach der Felsenkanzel wollt’, um da ‘was Nothwendig’s zu hol’n.«
»Nach der Fels’nkanzel? Und jetzt, mitten in der Nacht? Was habt Ihr von dort so sehr nöthig?«
»Es steht dort aan Kraut, welches geg’n die Brandwund’n hilft und sonst nirgends mehr zu find’n ist. Ich hab’s auch net daheim, weil’s nur frisch angewendet werd’n darf.«
»So geht! Den jungen Mann könnt Ihr mir bis dahin anvertrauen; ich werde für ihn die beste Sorge tragen. Kommt her, Ihr Männer, und greift mit an, aber fein säuberlich, damit Ihr ihm nicht wehe thut!«
Das Beispiel des Pfarrers war von dem besten Erfolge begleitet. Die Verständigeren unter den Umstehenden fühlten die Rücksichtslosigkeit ihres bisherigen Verhaltens und waren jetzt zu der geforderten Hilfeleistung gern bereit.
Als man im Begriffe stand, den Verletzten davon zu tragen, trat Katharina herbei. Sie hatte das hochherzige Beginnen der beiden Tannenbauer mit angstvoller Spannung verfolgt und war seit dem Gelingen desselben mit ihrer nun wieder erwachten Mutter beschäftigt gewesen.
»Was ist’s mit ihm?« fragte sie besorgt. »Ist er todt?«
»Nein, meine Tochter,« antwortete der Pfarrer; »er ist nur von Hitze, Rauch und Schmerz ohnmächtig geworden.«
»Darf ich ihn seh’n, Herr Pastor? Komm her, Mutter, er hat Dich aus dem Tode fortgeriss’n!«
»Bleibt nur zurück!« gebot Heinemann. »Er ist aan Haubold, und Ihr habt mit ihm gar nix zu thun. Oder willst’ etwa die Pflaster für ihn streich’n?«
»Ja, Vater, das werd’ ich auch, wenn’s welche für ihn zu streich’n giebt! Es hat’s Kaaner gewagt, in das Feuer zu geh’n, kaan Einziger, auch Du net; aber er ist hineingestieg’n, obgleich man ihn auf alle Weis’ verfolgt und böse Ding’ von ihm ersinnt. Die Mutter wär’ elendiglich verbrannt, wenn er net muthiger gewes’n wär’, als Ihr, und nun muß er auch seh’n, daß wir ihm den Dank net schuldig bleib’n!«
Sie hatte noch niemals in diesem Tone zu ihm gesprochen; sie wußte selbst nicht, woher ihr die Kühnheit dazu kam, zumal es nicht unter vier Augen, sondern vor so vielen Leuten geschah. Liebe, Dankbarkeit und Entrüstung hatten ihr die Worte dictirt, und sie war der Stimme ihres guten Herzens gehorsam gewesen, ohne nach den Folgen zu fragen.
Heinemann fand im ersten Augenblicke vor Erstaunen gar keine Worte; dann aber nahm er sie beim Arme und schleuderte sie weit von den Trägern zurück.
»Was willst Du? Mir die Moral vorles’n? Ich werd’ Dir zeig’n, wem Du zu dank’n hast! Schafft mir den Kerl vom Hof, sonst werf’ ich Euch sammt ihm hinaus! Und Du, Haubold Frieder, troll’ Dich auch rasch von hinnen. Ihr habt mir jetzt die Frau erhalt’n, aber wir sind noch nimmer quitt; aan Mord wiegt
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