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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dazu; sie hatte ihn schon bemerkt.
    »Grüß Gott, Mamsell Heinemann!« klang es kurz und fremd. »Ich hab’ net gewußt, daß Jemand hier ist, den ich stör’. Aber brauchst Dich net zu fürcht’n; ich geh’ schon wieder!«
    »Gustav!« hörte er ihre zögernde Stimme, als er sich bereits gewendet hatte. Er kehrte sich ihr wieder zu.
    »Was ist’s? Willst’ etwas sag’n?«
    »Ja!« antwortete sie schüchtern. »Ich möcht’ Dich gern ‘was bitt’n!«
    »Hab’ nix dawider. Sprich!«
    »Ach nein; wenn Du so feindselig red’st, so getrau’ ich mir es net!«
    Er überflog sie mit fragendem Blicke. Er war ihr oft begegnet, aber noch nie hatte er bemerkt, was ihm jetzt so deutlich in die Augen fiel: sie war schön, schöner vielleicht als alle Mädchen, welche er kannte. Und wie mild und freundlich lag es auf ihrem offenen, rosigen Gesichtchen! Es ging eine eigenthümliche und ihm bisher fremde Bewegung durch sein Inneres, und in sanfterem Tone sprach er:
    »Ich bin Dir net feind. Sag’ nur immer, was Du begehrst!«
    »Ich möcht’, daß Du net wieder so zu mir sagst, wie vorhin!«
    »Wie denn anders?«
    »Hast Du noch net gehört, wie mein Name lautet?«
    »O ja, Kathrin’; aber hast Du auch gehört, wie der unsere klingt? Dein Vater hat mich vorhin Beelzebub geheiß’n; willst Du etwa mit dem Teufel vertraulich thun?«
    »Der Vater? Bist ihm auch begegnet?«
    »Ja.«
    Sie trat ihm einen Schritt näher und hielt ihm die Hand entgegen.
    »Ich hab’ nix gemein mit dem, was der Vater treibt; ich net und die Mutter auch net. Komm, vergieb mir das, was er Euch thut, und nenne mich net anders, als wie ich’s gewöhnt bin. Willst’?«
    »Ja, ich will, Kathrin’! Aan gutes Wort find’t seine gute Statt, und Dir könnt’ ich erst recht nimmer ‘was abschlag’n!«
    Sie entzog ihm die Hand nicht, welche er ergriffen hatte und fest hielt.
    »Ist’s wahr? Aber es ist nur so schwer, Dir aane Bitt’ zu sag’n. Dich sieht man nur höchstens ‘mal auf dem Felde, doch sonst bist’ gar nirgends net zu find’n!«
    »Möcht’st mich denn auch wo anders seh’n?« fragte er.
    Er kam sich wie ein Fremder vor, und es war ihm, als sei alles Leid und alles Bittere plötzlich in ihm heil geworden.
    »Wenn Du’s gern thust und es Dir net Schad’n bringt!«
    »Schad’n? Mir net, aber Dir! Schau, hier steht das Kreuz. Mein Oheim hat den Deinig’n von der Kanzel herabgestürzt, sag’n die Leut’, und die Haubolde sind alle mit’nander dem Satan verfallen. Magst’ mich dennoch seh’n, Kathrin’?«
    »Ja, Gustav!«
    »Und net bloß seh’n, sondern noch ‘was Anders!« bat er, indem er sich zu ihr niederbog und den Arm um sie zu legen versuchte.
    »Was denn?« fragte sie, sich gegen die Umarmung sträubend.
    »Auch lieb haben!« sagte er, sie an sich ziehend.
    »Nein; das ist gleich zu viel!« antwortete sie, sich von ihm befreiend, und als er sie immer noch festzuhalten strebte, war sie mit einem »Leb’ wohl, Gustav!« hinter dem Felsenstücke verschwunden.
    Er folgte ihr nicht, sondern blieb zurück.
    Lange Zeit stand er bewegungslos da, den Blick auf die Stelle geheftet, die ihren Fuß getragen hatte; er wurde sich seines Gedankenganges kaum bewußt, bis er endlich wie aus einem Traume erwachte und dabei Bleistiftworte bemerkte, deren Sinn ihm schneidend durch die so glücklich bewegte Seele fuhr.
    »Nein, solche Tück’ läßt sich fast gar net denk’n! Aber d’rum soll es jetzt auch aus sein mit dem Kreuz’!«
    Er faßte es an dem Querbalken; ein kurzes Rütteln, dem ein kraftvoller Stoß folgte, und das starke Holz war hart am Boden abgebrochen. Dann hob er es auf und schlug es an den Felsen, daß die abgeschmetterten Stücke weit umherflogen.
    »So! Geg’n die Inschrift konnt’n wir nix thun; aber wenn man nun gar noch unseren Namen darauf kritzelt, so durfen wir uns wehr’n. Und wie das Kreuz zu nichte ist, so soll auch der böse Leumund weichen müss’n, – ob im Gut’n oder durch Gewalt, das mag die Zukunft lehr’n. Ich hab’ dies armselige Leb’n satt und werd’ den Leut’n zeig’n, daß ich mich net zu schämen brauch’ und gar wohl auch aan Recht besitz’ zu dem, was Andere thun und treib’n!«
    Er ging.
    Der Bach murmelte seine melancholische Weise; aus den Zweigen der Tannen und Fichten tönte ein monotones Rauschen in den Grund herab; die Dämmerung begann sich hernieder zu senken, und über den Himmelsstreifen, welchen die Schlucht erkennen ließ, zogen vom Abendrothe

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