Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
oder Albträumen geplagt erwachte, sah sie die beiden schweigend an dem heruntergebrannten Feuer sitzen, und bei Tagesanbruch waren sie vor ihr auf den Beinen.
Covenant und Jeremiah sprachen kaum miteinander – und noch seltener mit ihr. Auch Linden fragte sie nicht aus, obwohl Berge von Sorgen und Zweifeln ihren Horizont nach allen Richtungen hin verdunkelten. Ihre Gefährten und sie fühlten sich eingeengt, weil sie nicht allein waren.
Auf Bereks Befehl hin ritt Yellinin mit ihnen und führte eine Kette von sechs Packpferden, die mit allem Nötigen beladen waren: Proviant, Wasser, Decken und Feuerholz, aber auch Futter für die Pferde: so viel von Bereks Großzügigkeit, wie die geschwächten Pferde tragen konnten. Auch die Kriegerin sprach wenig. Berek hatte ihr befohlen, keine Fragen zu stellen, und sie gehorchte in verbissener Entschlossenheit, indem sie ihre Neugier und Einsamkeit unterdrückte. Sie konnte nicht einmal wissen, ob sie ihren Lord oder ihre Kameraden jemals wiedersehen würde. Aber selbst wenn Linden es mit praktischen Fragen versuchte – Wie weit sind wir heute geritten? Glaubst du, dass das Wetter umschlägt? –, antwortete Yellinin so knapp, dass Linden nicht den Mut hatte, ihr persönlichere Fragen zu stellen.
Die ganze Zeit über behielt Covenant seine rechte Hand in der Tasche versteckt. Linden vermutete, dass er es tat, um seine Ähnlichkeit mit Berek Halbhand zu verbergen, aber sie war sich sicher, dass er sich diese Vorsichtsmaßnahme hätte sparen können. Mit seinen erwachenden Sinnen musste Berek die Wahrheit selbst erkannt haben. Auch Jeremiah war eine Halbhand, obwohl er andere Finger verloren hatte. Aus solchen kleinen Details konnten Legenden entstehen ...
Am Ende des dritten Tages hatte Linden die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit erreicht. Sie war sich der langsamen Erosion bewusst, die Yellinins anfängliche Entschlossenheit in Niedergeschlagenheit zu verwandeln drohte. Ebenso wenig konnte sie die bleierne Erschöpfung der Pferde übersehen. Und die Fragen, die sie ihren Gefährten hätte stellen müssen, wurden ihr zur Folter: beißend scharf wie die Kälte und genauso erbarmungslos.
Außerdem quälten sie Sorgen um Jeremiah. Nach Yellinins Auskunft hatten sie nicht mehr als fünfundzwanzig Meilen zurückgelegt, als die Sonne an diesem dritten Tag unterging. Bedachte man, dass sie das Westlandgebirge überschreiten mussten, um die Würgerkluft zu umgehen, war die zurückgelegte Strecke kümmerlich. Bei diesem Tempo würden Covenant und Jeremiah ihr Ziel nie erreichen. Die Pferde würden nicht lange genug überleben; davon war Linden überzeugt. Und konnte sie selbst nicht bald auf Erdkraft zurückgreifen, würde sie zusammenbrechen, lange ehe sie den Melenkurion Himmelswehr erblickte. Und ihr Sohn würde bis in alle Ewigkeit Lord Fouls Gefangener bleiben.
Als sie an diesem Abend vor Kälte zitternd eindöste, erkannte sie, dass ihre Entscheidungen in dieser Zeit überwiegend von der Kälte und Brutalität des Winters beeinflusst worden waren. Sie hatte sich dafür entschieden, zu Bereks Lager zu marschieren, weil sie zu erfrieren drohte und keine Alternative sah, hatte damit aber im Grunde nichts für sich erreicht. Der vor ihr liegende Marsch war noch immer ebenso unmöglich zu bewältigen wie vor vier Tagen. Yellinins Kraft und die der Packpferde genügten nicht, und Linden hatte schon zu viele Unbeteiligte ihretwegen leiden und sterben gesehen.
Jetzt machte die Kälte eine weitere Entscheidung erforderlich. Sie musste akzeptieren, dass sie die sich vor ihr auftürmenden Hindernisse nicht allein überwinden konnte. Es wurde Zeit, dass sie sich eingestand, dass sie zu schwach war, um die Last von Jeremiahs Bedürfnissen und denen des Landes zu tragen. Dieser Winter erforderte mehr Kraft, als sie besaß. Und aus diesem Grund würde sie eine Möglichkeit finden müssen, Covenant doch zu vertrauen.
Als Linden sich am nächsten Morgen aus der kümmerlichen Wärme ihrer Decken schälte, erfuhr sie, dass in der Nacht Covenants und Jeremiahs Pferde verendet waren. Die Kälte hatte sie besiegt.
Hustend versuchte Linden, sich in der eisigen Morgenluft am Lagerfeuer zu wärmen, während Bereks Kriegerin eine dicke Grütze mit Dörrobst zubereitete. Linden ließ sich Zeit, um diese vermutlich letzte warme Mahlzeit zu verzehren. Eine Zeit lang stand sie mit offenem Gewand vor dem Feuer, weil sie hoffte, das Pelzfutter werde etwas von seiner Wärme speichern. Als
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