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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Gefährten ungefährlich. Dennoch kostete es Linden Kraft, die Angst davor, was dieser Sturz anrichten könnte, fortzuschieben. Die Haruchai hätten sie bestimmt gewarnt, wenn Menschenleben in Gefahr gewesen wären. Eine Sorge aber blieb: das Erste Holzheim. Linden, die den Stab des Gesetzes umklammerte, bis ihre Fingerknöchel schmerzten, beugte sich tief über Hyns Hals und forderte die Stute und mit ihr alle Ranyhyn stumm auf, schneller zu galoppieren.
    Ein langer Hang nahm ihr die Sicht nach vorn. Nach Süden hin fiel er allmählich ab; im Norden stieg er bis zu einem Felsentor aus zerklüftetem alten Gestein an. Auf ihrer Route war die Steigung zu gering, um die galoppierenden Ranyhyn verlangsamen zu können, und so donnerten sie über Boden aufwärts, dessen dünne Grasnabe allmählich in eine karge Mischung aus Feuerstein, zerfallendem Schiefer und nackter Erde überging. Bei jedem Galoppsprung wirbelten die Hufe kleine Staub- und Geröllwolken auf. Die Linden folgenden Pferde mussten etwas Abstand halten, um nicht von dem scharfkantigen Geröll getroffen zu werden, das Hyn und Hynyn, Whrany und Narunal aufwirbelten.
    Auf tieferem Gelände sahen sie deutliche Spuren der vorübergezogenen Zäsur. Der Erdboden war dort ebenso kahl wie in der Höhe, schien aber wie von Tausenden von Krallen zerwühlt zu sein. Ein fast einen Steinwurf breiter Streifen aufgewühlter Erde führte wie eine krumme Straße gen Süden. Gott, dieser Sturz war groß ...
    Jetzt erkannte Linden eine Art Gewitter, das die wirbelnde Säule der Zäsur umgab. Der Himmel war wolkenlos, von Horizont zu Horizont makellos blau. Trotzdem zuckten in der Ferne Blitze, die den Sturz wie eine Regenwolke umgaben. Die Luft schien wie in einem Gewitter dichter zu werden: voller Theurgie statt Feuchtigkeit und Wind. Und dann konnte Linden kaum einen leisen Aufschrei unterdrücken: Die Zäsur war nicht die einzige Gefahr. Irgendeine Macht, die lehrenweise und mächtig wie die Dämondim war, versuchte angestrengt, sie zu lenken oder zu beeinflussen. Linden biss sich auf die Unterlippe, drehte den Kopf zur Seite. Stave hatte gesagt, das Erste Holzheim liege zwischen kahlen Hügeln in einer fruchtbaren Senke. Jenseits dieses Hügelrückens konnte es direkt im Zugweg des Sturzes gelegen haben.
    Der Grat kam näher. Sie konnte bereits darüber hinwegsehen und erkannte in ungefähr einer Meile Entfernung weitere Hügel – ebenso kahl wie die, über die ihre Ranyhyn jetzt galoppierten. O Gott, ächzte Linden innerlich, als Hyn sie auf den Hügelrücken trug. Bitte nicht!
    Dann donnerten die Ranyhyn über den Grat, ergossen sich wie ein Sturzbach die andere Seite hinunter, und Linden sah, dass das Erste Holzheim nicht verschont worden war. Es lag in einem weiten, tiefen Tal, das unter dem Felstor im Nordwesten begann und sich nach Osten hin ausdehnte: ein flacher Halbmond aus Ackerland, das ein glitzernder Bach und gelegentliche Überflutungen fruchtbar machten. Wie Stave gesagt hatte, war das Tiefland von Hügeln gesäumt, die Kegeln aus Schiefer, Erde und Mergel glichen. Jahrhundertelange Düngung und Bewässerung hatte den Talboden jedoch in eine fruchtbare Oase verwandelt. Einst – vielleicht noch vor einer halben Stunde – musste das Baumdorf einen ungewöhnlichen Anblick geboten haben: ein prachtvoller Banyanbaum, der über dem Bach stand und dicke Bündel von Ablegern nach unten schickte, aus denen neue Wurzeln und Sekundärstämme wurden, bis der einzelne Baum einen weitläufigen Hain bildete. Tausende von starken Ästen hatten ihre Blätter gen Himmel gereckt und sich so verwoben, dass sie reichlich Platz für Wohnungen und Fußwege von Stamm zu Stamm boten. Auch die Wohnungen mussten ungewöhnlich gewesen sein, weil sie nicht aus Brettern und Balken, sondern aus einem mit Laub gedeckten Geflecht aus Ästen und Zweigen erbaut waren. Überall entlang dem Bach mussten die Äcker der Holzheimer reiche Frucht getragen haben. Hätte Linden das Erste Holzheim gesehen, ehe die Zäsur es verwüstet hatte, hätte sein Anblick vielleicht ihr wundes Herz erfreut. Sie wäre so stolz auf Sunder und Hollian gewesen ...
    Aber ihre Gefährten und sie hatten das Baumdorf nicht zeitig genug erreicht, um es retten zu können. Jetzt sah es dort aus, als sei ein Zyklon hindurchgezogen. Uralte Stämme, die drei Riesen nicht hätten umspannen können, waren zersplittert, abgebrochen und wie Kienspäne verstreut, ihre von Saft triefenden Stümpfe gezackt wie gebrochene Knochen.

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