Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Druiden erreichten auch den hintersten Winkel, und selbst in den Gassen rund um den Marktplatz konnte ihn jeder gut verstehen. »Ich habe euch hierher gerufen, weil uns eine ernste und gefahrvolle Prüfung auferlegt wurde.« Verhaltenes Gemurmel erhob sich, doch Anthork sprach unbeirrt weiter. »Seit einigen Sonnenläufen geht das Gerücht um, ein großes Heer unbekannter Herkunft sei über die Finstermark in Thale einmarschiert und habe das Grasland überfallen.« Das Gemurmel wurde lauter, verstummte jedoch, als der oberste Druide erneut zu sprechen anhob. »Die Gütige Göttin weiß, dass ich wünschte, es wäre anders, aber es ist meine traurige Pflicht, euch zu sagen, dass dieses Gerücht der Wahrheit entspricht.«
Die schonungslose Offenheit verfehlte ihre Wirkung nicht. Noch bevor er geendet hatte, brach auf dem Platz vor der Inneren Festung ein Tumult aus. Hunderte von Armen reckten sich in die Höhe, und Tausende hysterische Rufe vermischten sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Es wurde rücksichtslos gedrängelt und geschoben. Viele, die hofften, unmittelbar vor der Mauer mehr Gehör zu finden, versuchten nach vorn zu gelangen, was einen Chor wütender Protestrufe heraufbeschwor.
Um Schlimmeres zu verhindern, hob Anthork erneut die Arme, doch diesmal schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Die Mauer der Inneren Festung erzitterte unter einem gewaltigen Donnerschlag, und der Boden erbebte. Der Schreck lähmte die verängstigten und aufgebrachten Menschen und verschlug ihnen augenblicklich die Sprache. Diese Zeit nutzte der oberste Druide geschickt, um erneut das Wort an die Menge zu richten. »Ich verstehe eure Furcht«, rief er weithin hörbar. »Und ich gebe offen zu, dass auch ich niemals mit einem Angriff auf unser geliebtes Land gerechnet hätte. Doch das Zögern und Jammern hilft uns nicht weiter. Schon morgen werden die ersten Flüchtlinge aus dem Grasland in Nimrod erwartet. Hunderte werden folgen. Es sind Menschen, die alles verloren haben. Wir werden sie willkommen heißen und für sie sorgen, bis sie in ihre Heimat zurückkehren können. Gleichzeitig gilt es, so schnell wie möglich alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, um uns der Angreifer wirksam erwehren zu können.«
»Aber wir haben keine Krieger«, rief eine Frau aus der vordersten Reihe mit angsterfülltem Blick.
Anthork griff die Bemerkung auf und sagte: »Ja, das ist wahr. Wie ihr alle wisst, ist Thale ein friedliches Land und besitzt nur wenige Krieger. Aber das darf uns nicht einschüchtern. Denn sind wir nicht alle Krieger, wenn es darum geht, unsere Heimat zu verteidigen? Sind wir nicht alle bereit, unser Leben zu geben, damit unsere Kinder, unsere Familien und unser Land eine Zukunft haben?« Die Stimme des Druiden hallte beschwörend über den Platz. »Wir werden es schaffen! Wir werden dem Feind die Stirn bieten und ihn aus Thale vertreiben. Die Elfen und Riesenalpe sind mächtige Verbündete. Gemeinsam werden wir siegreich sein.« Das war völlig aus der Luft gegriffen, doch Anthork spürte, dass die Menschen nach Zuversicht hungerten, und hielt eine kleine Lüge angesichts der ungeheuren Bedrohung für mehr als gerechtfertigt. Mit Feuereifer im Blick ballte er die Hand zur Faust und rief: »Wir sind nicht unvorbereitet. Gemeinsam mit den Nebelelfen und den Riesenalpen, die sich bereits auf dem Weg nach Nimrod befinden, um die Festungsstadt Seite an Seite mit uns zu verteidigen, werden wir den Feind aus unserem Land vertreiben. Wir werden ihn mit allen in unserer Macht stehenden Mitteln bekämpfen und nicht zulassen, dass er uns die Freiheit raubt. Und bei den Toren, solange wir fest zusammenhalten, werden wir es schaffen.«
Gewaltiger Jubel brandete auf. Die ganze Anspannung der Menschen, alle Furcht und Ungewissheit entluden sich in lauten Anfeuerungsrufen und wilden Drohgebärden.
Anthork war erleichtert, aber nicht glücklich. Es war ihm gelungen, die Bevölkerung Nimrods mit nur wenigen Worten auf die bevorstehende Schlacht einzustimmen, doch er fürchtete, dass sich alle Entschlossenheit angesichts des übermächtigen Feindes in Luft auflösen würde.
»Das ist einfach unglaublich.« Mit einem schadenfrohen Lächeln schob Okowan die fleischige Hand in einen gewaltigen Berg goldener Münzen und gluckste zufrieden. Für einen Augenblick erfreute er sich an der wohltuenden Kühle des Metalls, dann ließ er die funkelnden Geldstücke genüsslich durch die Finger rinnen.
Er war reich! Und nicht nur das:
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