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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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dem
mächtigen Coroner nachpirschte.
    Sie erreichten die schmutzigen
Gassen von Southwark; Cranston bejammerte noch immer sein drohendes
Schicksal. Athelstan schlang sich Philomels Zügel um das Handgelenk
und hörte nur mit halbem Ohr zu, während er sich umsah. Anfangs
hatte er Southwark gehaßt, aber inzwischen spürte er, daß dieses
Viertel trotz seiner offenen Abwasserkanäle und schäbigen,
einstöckigen Hütten von Lebendigkeit strotzte. Die kleinen
Verkaufsstände waren bereits offen, und in einer nahen Bierschenke
sang jemand eine Hymne an die Jungfrau Maria. Ein Gemeindebüttel
versuchte, eine junge Hure zu packen, die ihr Gewerbe auf den
Stufen der Priorei von St. Mary Overy ausgeübt hatte, aber das
Mädchen hob die Röcke, wackelte mit dem schmutzigen Hintern und
huschte dann, kreischend vor Lachen, davon.
    Die beiden bogen in die Gasse ein,
die nach St. Erconwald führte. Mit einem Seufzer der Erleichterung
sah Athelstan, daß die Kirche und der Platz davor leer waren. Keine
Neugierigen waren zu sehen. Selbst der Wachtmeister, den Sir John
hergeschickt hatte, hatte offenbar etwas Interessanteres gefunden
und das Weite gesucht. Sie brachten ihre Pferde in den Stall und
gingen ins Haus. Athelstan lächelte. »Meine Pfarrkinder haben
offensichtlich von meinem Jähzorn gehört«, meinte er.
    Bewundernd schaute er sich in Küche
und Speisekammer um, wo alles geputzt, gefegt und blankgewienert
war - sogar der Herd, neben dem jetzt ein Stapel Holz darauf
wartete, verfeuert zu werden. Auf dem Küchentisch stand ein
verschlossener Weinkrug, und der Wasserbottich war geleert,
ausgeschrubbt und wieder gefüllt worden. Cranston leckte sich die
Lippen, als er den Wein sah. Athelstan winkte ihn herüber. »Seid
mein Gast, Sir John. Aber für mich bitte mehr Wasser als
Wein.«
    Geschäftig verschwand Sir John in
der Speisekammer. »Die Halunken haben auch hier gute Arbeit
geleistet. Alles hübsch aufgeräumt.« Er schenkte Athelstan und dann
sich selbst ein. »Wirst du das Geheimnis deines Gerippes
aufklären?«
    »Natürlich, Sir John. Ihr wißt, daß
ich deswegen nach Southwark zurückgekommen bin.«
    Cranston zog eine Grimasse. »Was
hast du denn vor?«
    »Das weiß ich noch nicht. Wir werden
abwarten.«
    »Es war Mord«, stellte Cranston
fest.
    »Nein, Sir John; das glauben wir
nur.«
    Der Coroner legte die Hand auf seine
Mappe und erhob sich.
    »Was ist?« fragte Athelstan
scharf.
    Cranston zog eine kleine
Pergamentrolle hervor. »Der Kurier ist gestern abend aus Boulogne
zurückgekommen.« Er tippte auf das Pergament. »Der Bursche ist
schnell gereist, denn ich habe ihn gut bezahlt.« Cranston tat einen
tiefen Seufzer; er war außerstande, Athelstan ins aufmerksame
Gesicht zu sehen. »Schlechte Nachrichten«, murmelte er. »Die
Franzosen haben Benedictas Mann nicht.«
    Athelstan wandte sich ab und starrte
die Wand an. Gütiger Gott, dachte er, und was fühle ich dabei? Was
will ich eigentlich wirklich? »Oh, verflucht!« schrie
Cranston.
    Athelstan drehte sich um und sah
Bonaventura, der wie ein Schatten zur Tür hereinkam, vor Freude
schnurrte und bettelnd zu Cranston aufschaute. Sir John wich
zurück. »Hau ab, du verfluchter Kater!«
    Erfreut über die Ablenkung, hob
Athelstan den kampferprobten Kater auf und streichelte ihn
vorsichtig, während Bonaventura, dessen Fell glatt und sauber war,
weiter beschwörend den Coroner anschaute.
    »Du bist gut gefüttert worden«,
sagte Athelstan leise. »Ich kenne deine Sorte - Simulanten und
berufsmäßige Bettler. Ab mit dir!« Er setzte den Kater vor die Tür
und schloß sie fest.
    »Na, was hast du vor?« bellte
Cranston.
    »Ich werde mich in der Kirche
umsehen und die Messe lesen.
    Sir John, Ihr könnt mir als
Meßdiener zur Hand gehen. Ihr habt zwar schon gefrühstückt, aber
ich erteile Euch Absolution.«
    Sie gingen zur Kirche hinüber, und
Athelstan stieß Freudenrufe aus, als er ins kühle Dunkel trat, denn
auch hier war alles gefegt und geputzt worden, nachdem die Arbeiter
abgezogen waren.
    Frische Binsen lagen auf dem Boden
des Mittelschiffs, der Lettner war wieder aufgerichtet, und was
Athelstan vor allem erfreute, war der renovierte Chor. Die neuen
Steinplatten leuchteten weiß, und Athelstan sah mit Anerkennung,
wie präzise und sorgfältig die Steinhauer gearbeitet hatten. Auch
der Altar war gereinigt worden, und irgend jemand, vermutlich
Huddle, hatte den Lettner gründlich aufpoliert. Sogar im dämmrigen
Morgenlicht glänzte das schwere, dunkle Holz.

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