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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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überlegen.« Dorothea gab sich einen Ruck, als hätte sie urplötzlich keine Zeit mehr zu verlieren. Sie machte ein paar Schritte und blieb nur eine Handbreit von Götz entfernt stehen. »Du bist der Sohn deines Vaters. Deine Familie kennt die unsere seit Ewigkeiten. Wir kennen uns seit Ewigkeiten. Das Sprichwort Eine Hand wäscht die andere kennst du doch auch, oder?«
    Wieder nickte Götz. Was sollte das Gerede von Gemeinsamkeiten, während sie ihn gleichzeitig behandelte wie einen Deppen? Seine Backenknochen mahlten schmerzhaft aufeinander.
    Dorothea lächelte. »Das ist gut. Vielleicht… werde ich zu gegebener
    Zeit darauf zurückkommen.« Mehr sagte sie nicht. Keine Bedingungen, kein Abschiedsgruß, erst recht kein Scherz. Sie verschwand einfach.
    Für einen Moment blieb Götz noch stehen und schaute ihr nach. Er atmete langsam aus. Immerhin hatte er erreicht, weswegen er gekommen war. Während er zurück zum Sudhaus ging, spürte er ein seltsames Drücken in der Magengegend, das bis nach oben in seine Kehle drängte. Richtig freuen konnte er sich seines Erfolges nicht. Warum hatte er das Gefühl, dass es am Ende doch sie gewesen war, die den besseren Handel abgeschlossen hatte?
    Als das Fest zwei Tage später sprichwörtlich ins Wasser fiel, war Rosa am wenigsten davon überrascht. Tief drinnen hatte sie gewusst, dass aus dem Fest nichts werden würde.
    Der Regen prasselte auf die staubtrockenen Gassen und machte aus dem festgetretenen Boden zwischen den Hütten innerhalb kurzer Zeit einen knöcheltiefen Sumpf. Statt abzufließen, wurde das Wasser vom Erdreich aufgesaugt wie von einem Schwamm, der dadurch immer mehr aufquoll. Die Rehbacher fluchten, was das Zeug hielt. Da hatte Götz das Fest für sie erstritten, und statt diesen Erfolg feiern und das verdammte Salz für ein paar Stunden vergessen zu können, saßen sie in ihren Stuben und glotzten aus den Fenstern! Kein Tanz ums Sonnwendfeuer, kein roter Beerenwein, kein Bier, kein Gucken nach den Mädchen, kein Kichern wegen der Burschen. Statt dessen darauf warten, dass die nächste Schicht anfing.
    Auch Rosa saß in ihrer Hütte am Tisch und starrte in den dunklen Wald, der hinter der Hecke anfing. Versonnen ließ sie die Bärlappsamen durch ihre Finger rinnen, wo sie eine dunkelgelbe Staubschicht hinterließen. Keine Funken, kein Geprassel im Sonnwendfeuer, keine großen Augen der Leute, wenn sie ihre Kunst vorführte! Wieder ein einsamer Abend mehr.
    Trotz der beharrlichen Regenflut hielt sie es gegen Abend nicht länger in der Hütte aus. Eine Unruhe war in ihr gewachsen wie ein ungewolltes Kraut in einem Blumengarten. Sie beschloss, in den Wald zu gehen. Kräuter konnte sie bei dem Wetter zwar keine sammeln, aber vielleicht würde sie ein paar Pilze finden? Und wenn sie bis auf die Knochen durchnässt zurückkommen würde - sie musste hinaus!
    Im Vorübergehen tippte sie mit den Fingern immer wieder an tiefhängende Äste und beobachtete, wie die Regentropfen herabfielen. Kleine Welten, die zerplatzten.
    Mit dem Regen war es kühl geworden. Statt dies nach der ewigen Hitze als Wohltat zu empfinden, fröstelte es Rosa, und sie wickelte ihren Schal fester um die Schultern. Als sie an einer kleinen Birkenlichtung angekommen war, ging sie in die Mitte und ließ sich auf dem regendunklen Moosteppich nieder. Sie Schloss die Augen und begann, sich hin und her zu wiegen. Bald fühlte sie, dass Licht und Wärme sie wie eine weiche Decke einhüllten. Die Kälte verflog so schnell, wie sie gekommen war. Rosa atmete so tief, dass sich ihre Nasenflügel blähten und ihr Bauch sich hob und senkte. Die Unruhe in ihrem Kopf ließ nach. Im Geiste sah sie, wie sich Knoten für Knoten entwirrte. So schüttelte sie alles von sich ab, was sie an Last mit sich trug. »Wie seltsam sind mir als Kind die Gänge der Mutter in den Wald vorgekommen!« sagte sie, während sie beim Aufstehen das feuchte Laub von ihrem Rock abstreifte. Nun war sie diejenige, die hier draußen ihren Frieden fand.
    Doch als sie nach Hause aufbrach, blieb ein Gedanke bei ihr. Hartnäckig wie eine Klette im Haar hatte er sich an sie geheftet und trommelte leise in ihren Ohren, ungewollt und stet: Das Gewitter zur Sonnwende war keine Laune der Natur. Es war ein Anfang. Etwas würde geschehen. Vieles würde passieren. Und diese Dinge hatten mit ihr zu tun, das spürte sie mit jeder Faser ihres Seins. Vielleicht war es ein Wink von Freya, der Liebesgöttin, den sie inmitten der Birken erfahren hatte.

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