Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Meiniang den kleinen, an einer roten Schnur befestigten Jadebuddha vor die Füße und sagte von oben herab: »Diesen Gegenstand habe ich seit meiner Kindheit bei mir getragen. Ich weiß nicht, welcher Hund ihn mir einmal gestohlen hat. Er stinkt nach Hund, das stört dich bestimmt nicht, bei euch zu Hause schlachtet ihr ja tagtäglich Hunde. Du kannst ihn geschenkt haben.«
Meiniang wurde rot vor Zorn, und fast hätte sie sich auf ihre Rivalin gestürzt, um ihr das Gesicht zu zerkratzen. Aber sie beherrschte sich – um Qian Dings willen. ›Ich tue es für Seine Exzellenz, nur wegen ihm lasse ich dich die Oberhand behalten.‹ Es war ihr klar, daß die Gnädige Frau ihr da nicht einfach irgendein Objekt aus Jade vor die Füße geworfen hatte, sondern ihre Würde, ihren Status, ihre Herausforderung und ihre Demütigung. Wenn sie sich jetzt bückte und den kleinen Buddha aufhob, würde sie sich damit demütigen, die Eitelkeit der Gnädigen Frau befriedigen. Wenn nicht, würde sie ihre Würde behalten. Es kam ganz auf sie an. Die Befriedigung der gnädigen Frau würde zur Folge haben, daß sie ihre Beziehung mit dem Präfekten fortsetzen konnte. Andernfalls wäre es damit aus und vorbei. Meiniang dachte daran, daß Seine Exzellenz immer mit Respekt von seiner Frau gesprochen hatte. Auch wenn die Familie Zeng im Niedergang begriffen war, war sie doch noch immer sehr einflußreich. Wenn Seine Exzellenz vor ihr auf die Knie geht, heißt daß dann für mich, daß auch ich mich beugen muß? Aus all diesen Erwägungen heraus bückte sich Meiniang schließlich und hob den Jadebuddha auf. Sie dachte an das Sprichwort: Man kann keine Mauer errichten, ohne die schmutzige Erde zu berühren; also wollte sie die Komödie bis zum Ende spielen und mimte die Dankbare: »Die einfache Frau des Volkes dankt der gnädigen Frau für ihre Güte.«
Die Gnädige Frau stieß einen Seufzer der Genugtuung aus und sagte: »Geh, Seine Exzellenz erwartet dich in seinem Schreibzimmer.«
Meiniang stand auf, nahm ihren Korb mit dem Hundefleisch und dem Wein und schickte sich an, zu gehen, doch noch einmal hielt die gnädige Frau sie zurück. Ohne ihre Rivalin anzusehen, die schwarzen Augen auf das Fenster gerichtet, sagte sie: »Er ist alt, und du bist jung ...«
Meiniang verstand, was sie mit ihrer Anspielung sagen wollte, und konnte nicht verhindern, daß ihre Wangen wie Feuer brannten. Sie wußte nicht, was sie erwidern sollte. Die Gnädige Frau erhob sich und ging durch den Salon in Richtung der hinteren Gemächer. Meiniang konnte sehen, daß ihre zierlichen Füße nicht größer waren als dreieckige Reisscheffel. Ja, sie war schließlich nicht umsonst die Tochter einer reichen Familie.
Sie war zwischen Liebes- und Haßgefühlen hin und her gerissen. Einerseits hatte sie über ihre Rivalin triumphiert, andererseits hatte sie das Gefühl, eine demütigende Niederlage erlitten zu haben.
9.
Meiniangs wohltuende Zärtlichkeiten bewirkten bald, daß der Präfekt seinen Appetit und seinen geistigen Schwung wiederfand. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und bedrückter Miene sah er den Stapel offizieller Dokumente durch, der sich in den letzten Wochen auf seinem Schreibtisch angehäuft hatte.
Während er Meiniangs runden Hintern streichelte, sagte er zu ihr: »Meiniang, Meiniang, wenn ich deinen Vater nicht verhafte, dann bin ich es, den Seine Exzellenz Yuan verhaften läßt.«
Sie drehte sich um und setzte sich auf seinen Schoß. »Exzellenz, wenn mein Vater diesen Deutschen geschlagen hat, hatte er seine Gründe dafür. Ist es nicht genug, daß die Deutschen meine Stiefmutter und meine kleinen Geschwister und noch dazu vierundzwanzig weitere unschuldige Menschen ermordet haben? Wozu müssen sie noch meinen Vater haben? Gibt es denn gar keine Gerechtigkeit auf dieser Welt?«
Mit einem bitteren Lachen sagte Qian Ding: »Was versteht ihr Frauen schon davon!«
Meiniang zog ihn am Bart und sagte kokett: »Ich verstehe überhaupt nichts, aber eines weiß ich: Mein Vater ist unschuldig!«
»Das weiß ich doch«, seufzte der Präfekt. »Aber wie soll ich mich den Befehlen von oben widersetzen?«
»Du mußt ihn eben begnadigen, mein Guter.« Meiniang wippte auf seinen Knien. »Du bist ein so guter Präfekt, wie solltest nicht in der Lage sein, einen unschuldigen Mann des Volkes vor dem Tod zu schützen?«
»Wie soll ich dir das erklären, mein kleiner Liebling.«
Meiniang schlang ihre Arme um seinen Hals und rieb ihren jadeglatten Körper an
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