Die Schattenmatrix - 20
neue Kleid passt. Ihr scheint ein wenig abgenommen zu haben, Domna. Und ich sollte Euch lieber warnen: Ich werde mich auf der Stelle in meine Schere stürzen, wenn Euch das Kleid nicht gefällt.«
Donal, der die ganze Zeit interessiert zugehört hatte, schaute zu dem groß gewachsenen Schneider hinauf und fragte: »Wieso würdet Ihr das denn tun?«
»Weil es mir das Herz brechen würde«, antwortete Aaron scherzhaft.
»Seid nicht albern, Aaron«, sagte Margaret, bevor Donal weitere Fragen stellen konnte. »Alles, was Ihr bisher für mich gemacht habt, war wundervoll.«
Manuella kehrte mit einem in weißes Papier gehüllten Packen zurück. Sie trug ihn auf den Unterarmen und bewegte sich, als transportierte sie etwas sehr Kostbares. Dann legte sie das Paket auf den Schneidertisch und wickelte es langsam aus.
Im schwachen Tageslicht und der flackernden Ladenbeleuchtung sah Margaret auf den ersten Blick nur eine glitzernde Masse Gold in einem Bett aus Violett. Dann hob Aaron das Kleid auf, schüttelte es aus und hielt es am Kleiderbügel hoch.
Obwohl sie auf etwas sehr Schönes vorbereitet war, stockte Margaret dennoch vor Freude der Atem. Das Unterkleid war eine lange Säule aus violetter Seide, die im Licht seidig glänzte, mit einem tiefen Ausschnitt, wenn auch nicht im Geringsten unanständig. Von den Ärmeln abgesehen war das Unterkleid ziemlich schlicht, fast schon streng im Schnitt, und Margaret wusste, es würde sich wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegen. Nachdem sie monatelang nur weit geschnittene Kleider getragen hatte, die den Körper verhüllten, fand sie die Vorstellung fast frevelhaft, doch sie gefiel ihr bösartigerweise.
Margaret wunderte sich ein wenig über ihre rebellischen Gefühle. Dann wurde ihr beim Betrachten des wundervollen Kleidungsstückes klar, dass Gisela Aldaran entweder schockiert oder neidisch sein würde und dass sie sich auf beide Reaktionen freute. Ich wusste gar nicht, dass ich so boshafl sein kann! Die Ärmel waren weit und gerafft, bauschig an der Schulter und zur Mitte des Armes hin schmaler, wo eine weite Rüsche armabwärts fiel und die seidenen Handschuhe verdeckte, die sie tragen würde. Einen solchen Schnitt hatte Margaret auf Darkover noch nie gesehen. Die Ränder der Rüschen und der Saum des Kleides waren mit goldener Seide in einem Muster aus winzigen Ranken und Blumen bestickt.
Die Überjacke war aus einem feinen, hauchdünnen Stoff, durchwirkt mit goldenen Fäden, die selbst im düsteren Licht des Ladens wie die Sonne leuchteten. Sie war ärmellos, wodurch das Violett des Unterkleides sichtbar blieb. Der Kragen der Jacke war hoch geschlossen und endete in einer Rüsche, die Margaret genau bis ans Kinn reichen würde. Sie war sehr schlicht geschnitten und vermittelte dennoch den Eindruck von Opulenz. Margaret verliebte sich auf der Stelle in das Gewand und fragte sich zugleich, ob sie sich überhaupt trauen würde, ein so gewagtes Kleid zu tragen. »Aaron, es ist hinreißend! Ihr habt einen völlig neuen Stil kreiert, und die feinen Damen Thendaras werden Euch am Morgen nach dem Ball die Tür einrennen, selbst wenn die Mutter aller Schneestürme wehen sollte.«
»Und diese Gisela wird mächtig sauer sein«, fügte Donal an und schaute selbstzufrieden drein. Margaret warf dem kleinen Jungen einen raschen Blick zu - viel entging ihm offenbar nicht, wie es aussah.
Aaron achtete nicht weiter auf Donal, er sah erfreut und zugleich eingebildet aus. »Ich bin froh, dass es Euch gefällt, Domna. Der Handschuhmacher hat ebenfalls ein neues Paar gefertigt, aus derselben feinen Seide wie das Unterkleid, aber einen Ton heller, und er hat versprochen, sie rechtzeitig in die Burg zu bringen. Und der Schuster arbeitet sogar in diesem Augenblick an den Schuhen. Wir müssen gleich um ihn schicken, um sicherzugehen, dass sie nicht zwicken. Ihr werdet bestimmt nicht in zu engen Schuhen tanzen wollen.«
»Ihr habt wie üblich an alles gedacht, Aaron. Wenn der Schuster schon mal hier ist, möchte ich, dass er bei Donal für ein Paar neue Stiefel Maß nimmt. Lasst es mich nicht vergessen.«
»Marguerida!« Donal schien verblüfft.
»Wenn du gewachsen bist, müssen deine Füße doch auch länger geworden sein.«
»Danke!« Der Junge errötete heftig.
Aaron nickte Margaret zu. »Ich möchte, dass Ihr ebenso schön gekleidet seid, wie Ihr ausseht. Ich bekomme nicht allzu oft die Gelegenheit, feine Damen einzukleiden, aber wie Ihr schon sagtet, werde ich keine Ruhe mehr haben, wenn man
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