Die Schöne des Herrn (German Edition)
sogar eine Probe für sie veranstaltet, bei der Didi die Rolle des Herrn Untergeneralsekretärs übernommen und an der Tür geklingelt hatte, eingetreten war und ihr den Hut und sogar einen Stock übergeben hatte, für alle Fälle, obgleich Adrien gemeint hatte, sein Chef benutze keinen Stock. Sobald der Gast in den Salon getreten war, musste Martha sofort Ariane benachrichtigen und sie bitten herunterzukommen. Und genau zehn Minuten später sollte sie drei Arten von heißen Getränken in den Salon bringen: Tee, normalen Kaffee, koffeinfreien Kaffee. Der Gast brauchte nur zu wählen. Anschließend würde man ihm Spirituosen anbieten oder sogar Champagner, falls er es vorzöge. Es würde immer noch genug für die Rampals oder die Rassets übrigbleiben. Und selbst falls der Gast entgegen Didis Erwartungen einen Kräutertee vorziehen sollte, würde man ihm schnell einen zubereiten können, man hatte ja alle Sorten im Haus – Eisenkraut, Kamille, Lindenblüten, Pfefferminz, Anis. Ja, alles war in bester Ordnung. Sie blickte sich noch einmal um und seufzte zufrieden.
»Der Salon ist wirklich comme il faut«, sagte sie.
Während Martha gelockt und als Kammerzofe verkleidet in weißen Handschuhen vor der Eingangstür stand, bereit zu öffnen und halbtot vor Angst, warteten die drei Deumes mit taktvoller Zurückhaltung. Steif und wie bei sich selbst zu Besuch, wagten sie es nicht, sich bequem hinzusetzen. Auf jedes Geräusch von draußen lauschend, suchten sie matt nach langweiligen Gesprächsthemen, schwach aufflackernde Flammen, die immer wieder erstarben. Aus irgendeinem obskuren Würdegefühl heraus vermieden sie es, von dem Gast zu sprechen, da seine Ankunft nun so nah bevorstand. Sie wollten sich nicht eingestehen, dass sie nur noch an ihn dachten und dass der Gedanke, eine so hochgestellte Persönlichkeit zu empfangen, und sei es auch erst um zehn Uhr, ihre Herzen höher schlagen ließ. Von Zeit zu Zeit dennoch eine kleine Anspielung auf den Untergeneralsekretär, um natürlich zu wirken. Meist war es jedoch ein von gegenseitiger Liebenswürdigkeit und paradoxer glücklicher Melancholie durchdrungenes Schweigen, während Frau Deume die Sauberkeit ihrer langen Fingernägel prüfte oder an ihrer Spitzenbluse zupfte oder einfach nur gütig lächelte, wobei sie ihre schiefen gelben Zähne affektiert auf dem weichen Kissen der Unterlippe ruhen ließ. Da die hervorragende Persönlichkeit sich für Punkt zehn Uhr angesagt hatte, war Frau Deume sich ihres Erfolges sicher und schnaufte zufrieden. Sie war so glücklich, dass sie ihrem Adoptivsohn mehrfach mütterliche Zärtlichkeit bezeugte, indem sie »Guten Tag, du!« zu ihm sagte und ihm dabei leicht auf die Hand klopfte. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte Adrien ein aus einer Pariser Zeitung ausgeschnittenes Foto Solals hervorgeholt, und sie erklärte sofort, ihr Gast sei schon dem Aussehen nach eine wahre Führernatur, was aus ihrem Munde als höchstes Lob galt.
Die Minuten waren erhaben, und man fühlte sich sowohl dem verehrten Untergeneralsekretär als auch den Rampals verbunden. Man wartete in wohliger Sicherheit und Liebenswürdigkeit. Von Zeit zu Zeit erhob man sich, um ein eingebildetes Staubkorn zu entfernen, um ein Tischchen oder eine Nippfigur ein wenig zu verrücken, um zu sehen, ob das Thermometer eine Temperatur anzeigte, die einer Führernatur würdig wäre, und um den Deckel des Flügels zu schließen und ihn dann wieder zu öffnen, weil es so besser aussah und dem Ganzen eine Note eleganter Nachlässigkeit verlieh. Nacheinander gingen die beiden Männer ans Fenster, um mit dem Rücken zur Dame des Hauses noch einmal diskret gewisse Knöpfe zu überprüfen.
»Der Salon ist wirklich comme il faut«, wiederholte Frau Deume und lächelte im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Stellung. »Vielleicht können wir später noch eine Verbesserung anbringen, weißt du, Didi, ich denke da an Ripsvorhänge vor dem großen Fenster, mit großen handgemalten Blumen in allen Farben, und dahinter versteckte elektrische Glühbirnen, die man am Abend anknipst, wenn die Vorhänge zugezogen sind, ganz wie bei Emmeline Ventradour, das sieht sehr künstlerisch aus. Natürlich nur, wenn wir Gäste haben. Aber darüber können wir ja noch reden. Guten Tag, mein Herr«, sagte sie diesmal zu ihrem Didi, kniff ihn zärtlich und kokett ins Handgelenk und schüttelte es in alle Richtungen.
Nachdem sie mit Hilfe leiser Pieplaute und dem Taschenzahnstocher ihres Mannes die
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