Die schöne Schwindlerin
lassen.
Sie versuchte, sich einzureden, dass dem nicht so war, während er auf eine Art und Weise das Fenster öffnete, die sie nicht sehen konnte. Er half ihr hinein. Sie hätte gerne geglaubt, dass er heute Nacht nichts von Bedeutung verloren hatte, denn es würde sehr schwierig werden, einem Mann zu widerstehen, der ihretwegen so viel aufgegeben hatte.
Wirklich, sehr schwierig.
Kapitel 20
Dalton spürte, wie ihn die vertraute Luft des Liar’s Club umfing, und ihn überkam eine Sehnsucht. Er war so nah dran gewesen.
Jetzt hatte er keine Vorstellung mehr, was die Zukunft bringen würde. Würde er wegen Hochverrats angeklagt werden? Möglich, falls er den Schurken unter den Royal Four nicht identifizieren konnte.
Clara.
Was sollte er mit dieser zum Verrücktwerden wundervollen Frau machen? Sie war so tapfer gewesen, oben auf dem Dach, und so schnell. Keine einzige Träne, kein verräterischer Aufschrei, der die Liars alarmiert hätte. Er schüttelte den Kopf. Sie war sogar still über die Dachkante gerutscht, um niemanden auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen.
Er konnte sich immer noch nicht erlauben, etwas für sie zu empfinden, aber, bei Gott, sie hatte in jenem Moment seinen Respekt gewonnen; einen Respekt, wie er ihn einer Frau gegenüber nie empfunden hatte.
Er hielt ihr die Hand über die Augen, ein letzter, ziemlich hoffnungsloser Versuch, sein Geheimnis zu wahren – vielleicht sollte er das geheime Büro im Speicher besser gleich für Besichtigungstouren öffnen. Dann führte er sie die enge Stiege zum Dachzimmer hinauf, wo er sie auf ein altes Sofa setzte, das vermutlich schon Simons Vorgänger gesehen hatte.
Sie rollte sich zusammen, zog die beschuhten Füße hoch und wickelte sich in den gestohlenen Umhang, bis er im Schein der Kerze nur noch ihr blasses Gesicht erkennen konnte.
Dalton rieb sich den Nacken, dann knüpfte er die Halsbinde auf und warf sie über die Lehne seines Stuhls. Er setzte sich an den Tisch und versuchte nachzudenken. Was nicht leicht war mit Clara im Zimmer. Die Luft schien von ihr erfüllt, als könne jeden Moment ein Blitz herunterfahren.
Sie ließ ihm zu warm werden. Er streifte die feuchte Jacke ab und zwang sich, seine Optionen zu durchdenken. Wie lange konnte er unbemerkt hier im Club bleiben?
Simon hatte ihm versichert, dass außer James niemand von der Existenz des geheimen Büros wusste, und das, obwohl einer der Zugänge direkt durch Jackhams Büro führte.
Zum Glück wäre Jackham die nächsten drei Tage nicht im Büro, er war immer noch auf Einkaufstour. Er pichelte vermutlich gerade in Edinburgh, denn er bestand darauf, jedes Getränk, das es in seinen Club schaffte, zuvor persönlich zu testen. Dalton wusste nicht, ob der Mann ein Kenner oder ein Spruchbeutel war, aber das war auch egal.
Dalton traute Jackham nicht, auch wenn Simon ihm versichert hatte, dass der Mann keine Ahnung vom wahren Zweck des Clubs habe. Wie konnte jemand jahrelang hier im Haus arbeiten und nichts merken? Der Mann war ein gewöhnlicher Dieb, der einst von dem gelebt hatte, was er nicht selbst verdient hatte. Sollte es im Club jemals ein Leck geben, dann war Jackham der Mann, den Dalton als Ersten ins Visier nehmen würde.
Aber im Augenblick waren sie im Büro sicher. Clara nach Hause zu den Trapps zu bringen, hätte sie nur wieder in Reichweite der Liars gebracht. Ihr eigenes Territorium war der letzte Ort, an dem die Liars suchen würden.
Hoffte er.
Er sah zu Clara hinüber. Sie schmolz wie Wachs in die eingesunkenen Polster. Nur die dunklen Augen, die sich groß von ihrem blassen Gesicht abhoben, zeigten ihm, dass sie noch wach war. Sie musste völlig erschöpft sein.
»Wann haben Sie das letzte Mal geschlafen?«
Sie zwinkerte. »Abgesehen von der Kutschfahrt?« Sie dachte kurz nach. »Dienstagabend habe ich ein Nickerchen gemacht.«
Es war Donnerstagmorgen. Zwei Nächte ohne richtigen Schlaf. Eine mit ihm, eine auf der Flucht. »Was hindert Sie noch?«
»Die Angst«, sagte sie prompt. »Und hungrig bin ich auch, aber deswegen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
Seine Lippen zuckten. Ein kleiner Hinweis auf seine schlechten Gastgeberqualitäten. »Es gibt hier eine Küche. Ich hole Ihnen etwas Brot und Käse, wenn Sie möchten.«
»Und einen Tee, bitte. Ganz viel Tee, eigentlich.« Sie kuschelte sich tiefer in die Couch. »Mir ist, als würde mir nie mehr warm werden.«
»Ah, also Tee und ein Feuer. Ihr Wunsch ist mir Befehl.«
Er erhob sich, um nach
Weitere Kostenlose Bücher