Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
an einem Stuhl oder am Tisch, und das geräumige Zimmer kam ihm grauenvoll eng und bedrückend, wie eine Gefängniszelle vor. Nach längerer Zeit, als flüchtete er vor den schrecklichen Gedanken, welche im Zimmer die Luft erfüllten, öffnete er schließlich die Tür und trat hinaus in den Korridor. Da war es besser. Kälte herrschte hier, und es gab Platz. Hier konnte er gehen, weit gehen, kehrtmachen und zurückkommen, den Korridor abermals von einem bis zum anderen Ende durchschreiten, unaufhörlich gehen und gehen, nicht innehalten, nirgends stehen bleiben, nur gehen, gehen …
    Die kühle Luft und die Bewegung linderten seine Unruhe. Er erwog die Umstände und die Wahrscheinlichkeiten, Bekanntes und Unbekanntes, stellte jede Beobachtung in Rechnung, jedes Wort und jede Geste Kláras, jeden Blick und jedes Lächeln. Er sah vor sich, wie sie am ersten Tag der Jagd beim zweimaligen Treiben neben ihm gesessen war, wie sie das Rebhuhn aufgehoben und geküsst hatte, während sie das Gefieder mit ihrem Atem schwirren ließ. Und wie sie ihm beim Mahl über den silbernen Tafelschmuck hinweg immer wieder zugelächelt hatte. Ihre Blicke hatten sich bei jedem Gastmahl mehrmals getroffen, obwohl sie immer neben jenem Mann saß. Liebte sie den anderen, dann hätte sie doch nicht an ihn, László, gedacht, sie hätte mit mitfühlenden Augen nicht heimlich seinen Blick gesucht. Nein, unmöglich! Es wäre eine Beleidigung, sich auch nur vorzustellen, dass sie ihn angeschaut, ihm zugelächelt hätte, wenn sie jenen hassenswerten Mann lieben, wenn sie ihn akzeptieren würde.
    Er ging unter solchen Gedanken lange, sehr lange im spärlich beleuchteten Korridor auf und ab. Seine Unruhe legte sich allmählich. Auch die Müdigkeit kam ihm dabei zu Hilfe. Nach längerer Zeit kehrte er in sein Zimmer zurück und legte sich ein wenig beruhigt zu Bett. Er löschte das Licht, fand aber noch keinen Schlaf.
    Von oben vernahm er gedämpften Lärm. Dann trat Stille ein. Hernach wieder hörte er stampfende Schritte. Ihm schien, jemand weine. Viel später schlug dann oben eine Tür zu, und das klang mitten in der Nachtruhe – oder vielleicht nur für Lászlós gereizte Sinne –, als hätte man einen Kanonenschuss abgefeuert. Dann wieder schien ihm, als weinte irgendwo eine Frau lange …

    Am nächsten Morgen verabschiedete sich die Mehrheit der Gäste; sie verreisten zu verschiedenen Stunden. Nur vier blieben zurück. Der alte Kanizsay und seine Frau sollten erst in der Nacht in Fehérvár den Schnellzug nach Fiume nehmen, da sie die Absicht hatten, einige Wochen in Abbazia zu verbringen. Magda Szent-Györgyi erwartete hier die Rückkehr ihres Vaters und Bruders von einer Jagd im Komitat Somogy, wohin die beiden für ein paar Tage gereist waren. Und natürlich blieb László da. Am Morgen, als Abády ihm hatte ausrichten lassen, er sitze im Wagen und warte auf ihn, gab er zur Antwort, er werde nicht fertig und wolle erst am Nachmittag – ja, am Nachmittag! – zurück nach Pest.
    Auch Louis Kollonich und Niki brachen auf. Sie waren vom Erzherzog zu einer Hasen- und Fasanenjagd jenseits der Theiß geladen. Aber sie würden erst gegen Abend verreisen. Zuvor sollte es noch in den Remisen, wo man die alten Hähne nicht gründlich genug erlegt hatte, eine kleine Nachjagd geben. Der Hausherr hatte viel übrig für diese nachträglichen Schießereien, die mit zehn bis zwölf Treibern und buschierenden Hunden vor sich gingen. Seine Laune besserte sich erst noch, als der alte Kanizsay von oben ausrichten ließ, dass seine rheumatischen Beschwerden ihm nicht erlaubten, den Ausflug mitzumachen. Man brauchte folglich gegenüber niemandem höflich zu tun, auf keinen zu warten oder Rücksicht zu nehmen. Unter sich mit seinen zwei Söhnen und dem jungen Vetter László würden sie sich vergnügen. Er drängte sie denn auch beim frühen Gabelfrühstück zur Eile, und kaum hatten sie einige Bissen gegessen, schon saßen sie im Wagen.
    Lediglich zwei Fahrzeuge hatten sie auf dem Schlosshof erwartet. Den niedrigen Pirschwagen des Hausherrn bestieg dieser allein und befahl gleich abzufahren. Der andere Wagen war ein Tarantas, nach russischem System für unwegsames Gelände gebaut; ein gepolsterter Balken, etwa anderthalb Klafter lang, verband die Vorder- und Hinterräder. Die jungen Leute kletterten auf dieses Gefährt, die Männer saßen rittlings, die Mädchen, Klára und Magda, seitwärts. Einen Kutscher hatten sie nicht, Péter lenkte den Tarantas. Im

Weitere Kostenlose Bücher