Die Schule der Nacht
gleichen Worte, die sie ihrem Vater an dem Tag an den Kopf geworfen hatte, an dem er ermordet worden war.
»Komm jetzt.« Sie nahm ihre Mutter an der Hand und zog sie mit sich davon. »Wir gehen nach Hause.«
Silvia hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. »Ich glaube, du hast recht, Schatz. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich nicht besonders.«
»Alles in Ordnung? Braucht ihr vielleicht Hilfe?« Benjamin war, dicht gefolgt von Gabriel, auf sie zugekommen.
»Nein danke, es geht schon. Fee? Kannst du ihren anderen Arm nehmen?« Die beiden Mädchen nahmen Silvia in ihre Mitte und führten sie Richtung Ausgang.
»Wartet, ich mach euch den Weg frei«, sagte Gabriel und ging voraus.
April erinnerte sich an seine Warnung und drehte sich noch einmal zu Davina um.
»Bitte entschuldige«, sagte sie. »Lieb, dass ihr euch um sie gekümmert habt, aber…«
»Hey, du musst dich doch nicht entschuldigen«, unterbrach Davina sie und zog wieder ihren Schmollmund. »Das ist ein langer, harter Tag für euch gewesen. Wir sehen uns dann in der Schule, okay?«
April zwang sich zu lächeln.
Draußen schlug ihnen kalte Nachtluft entgegen, die April nach der stickigen Hitze im Club als einen wahren Segen empfand. Sie winkten ein Taxi heran und packten Silvia, die mittlerweile fast eingeschlafen war, auf den Rücksitz. Als Fiona bereits im Wagen saß, wandte April sich an Gabriel und flüsterte: »Könntest du bitte wieder reingehen und auf Caro aufpassen?«
Gabriel lächelte. »Klar, mach ich.«
»Und kannst du morgen um acht zu mir kommen? Wir müssen dringend reden.«
»Aber morgen ist Mittwoch – was ist mit der Schule?«
»Ich hab wegen der Beerdigung einen Tag frei bekommen, und du wirst es bei deinem Bildungsstand bestimmt verkraften, wenn du mal einen Vormittag die Schule schwänzt.«
Gabriel grinste, dann beugte er sich plötzlich zu ihr herunter und küsste sie auf die Wange.
»Oh.« Ihre Hand schnellte zu der Stelle, an der seine Lippen ihre Haut gestreift hatten.
Gabriel lachte, und April drehte sich benommen um und stieg in das Taxi ein. Als der Wagen anfuhr, kurbelte sie hektisch die Scheibe hinunter, streckte noch einmal den Kopf zum Fenster heraus und rief: »Hey! Und wehe du versetzt mich wieder! Dann wirst du dir wünschen, du wärst tot.«
Einunddreißigstes Kapitel
E ine Minute vor acht klingelte es an der Haustür. April und Fiona saßen gerade in der Küche, aßen knusprige Croissants, die Fiona im Ofen aufgebacken hatte, und besprachen die Ereignisse des vorherigen Tages. Fiona war schon erstaunlich früh munter gewesen und hatte fröhlich vor sich hin summend alle Spuren der gestrigen Trauerfeier beseitigt, sodass die Küche nun wieder blitzsauber war. April hatte ihre Freundin schon immer für ihre Stehaufmännchen-Mentalität bewundert, auch wenn sie ihr mit ihrer ewigen Munterkeit manchmal auf die Nerven ging. Aber seit wann war sie zur Putzfee mutiert? Gehört das zum Rekrutierungsprozess dazu?, fragte April sich und schämte sich gleich darauf, ihre beste Freundin zu verdächtigen, sich von den Vampiren verführt haben zu lassen, aber mittlerweile hielt sie eine gesunde Portion Paranoia für ganz nützlich. Lieber verdächtigte sie jemanden zu Unrecht, als irgendwann unversehens in ihrer eigenen Blutlache aufzuwachen. Es war nun einmal eine Tatsache, dass Fiona sich gestern blendend mit Davina und Benjamin verstanden hatte. Eigentlich hatte April vorgehabt, mit ihr und Caro über das zu sprechen, was Gabriel ihr erzählt hatte, aber mittlerweile war sie sich nicht mehr sicher, ob das wirklich eine gute Idee war. Sie war sich mit gar nichts mehr sicher.
Es klingelte erneut, diesmal gleich zweimal hintereinander.
»Oh Gott, er ist gekommen, und er ist sogar pünktlich.« April sprang auf, bereute die abrupte Bewegung aber sofort, als ihr Knie sich mit einem pochenden Schmerz meldete. »Wie sehe ich aus?«, fragte sie und strich ihren Rock glatt.
»Du siehst toll aus«, sagte Fiona. »So, und jetzt atmest du tief durch und beruhigst dich. Es geht bloß um einen Jungen, okay? Und wenn er so pünktlich ist, dann hat er definitiv Interesse an dir.«
April klopfte das Herz trotzdem bis zum Hals, als sie zur Tür ging.
»Ein Wunder! Du bist ausnahmsweise mal pünktlich…«, rief sie, als sie die Tür aufriss, und verstummte dann abrupt.
Vor ihr stand nicht Gabriel, sondern Detective Inspector Ian Reece und Detective Sergeant Amy Carling.
»Haben Sie jemand anderen erwartet?«, fragte
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