Die Schule der Nacht
und wir waren nie offiziell verlobt. Ehrlich gesagt glaube ich, dass er sich mehr für seine Poloponys interessiert hat als für mich!«
Die drei lachten schallend, und endlich war das Eis gebrochen. April freute sich zu sehen, dass ihre Mutter zum ersten Mal seit langer Zeit vollkommen entspannt wirkte. Die Neckereien zwischen ihr und ihrem Vater wirkten warmherzig und liebevoll. Allerdings mischte sich auch eine Spur von Traurigkeit in ihre Freude darüber, dass die beiden sich so gut verstanden. Es war noch gar nicht so lange her, da hatten ihre Eltern sich gegenseitig auch so aufgezogen und miteinander gelacht und hatten es genossen, zusammen zu sein. Warum hatte sich das alles geändert? Weshalb war die Beziehung zwischen den beiden in letzter Zeit so verkrampft und gereizt? Wie konnten zwei Menschen, die sich liebten, sich gegenseitig das Leben so schwer machen?
»Deine Mutter hat nie ein besonders glückliches Händchen mit Männern gehabt«, sagte ihr Großvater jetzt.
Die fröhliche Stimmung am Tisch wich jäh frostigem Schweigen. April hörte plötzlich wieder, wie der Regen gegen die Fenster trommelte und draußen auf der nassen Straße der Verkehr vorbeirauschte.
Na toll, dachte sie enttäuscht. Dabei lief alles gerade ausnahmsweise mal gut.
»Was willst du damit andeuten?«, fragte Silvia schließlich gefährlich leise. Für jemanden, der die Familie nicht kannte, hätte es sich wie eine einfache Frage angehört, aber für alle Eingeweihten sprach sie Bände.
Thomas tat so, als hätte er nichts gehört, und wandte sich an April. »Deine Mutter hätte jeden Mann in London haben können. Einen Milliardär, einen Premierminister, vielleicht sogar einen echten Prinzen, aber nein, sie musste ja unbedingt einen Mann heiraten, der über Drachen und Meerjungfrauen schreibt.«
»Großvater, bitte!« April sah ihn flehend an. »Fang nicht wieder davon an.«
»Lass ihn doch«, fauchte Silvia. »Ich finde es immer wieder interessant, mir von jemandem, der in seinem eigenen Leben angeblich nie Fehler gemacht hat, sagen zu lassen, wie ich mein Leben hätte führen sollen.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Thomas unschuldig. »Man wird ja wohl noch die eine oder andere Bemerkung über das Leben der eigenen Tochter machen dürfen, oder etwa nicht? Aber anscheinend bin ich für dich bloß der Vater mit der dicken Brieftasche…«
»Jetzt geht das wieder los«, stöhnte Silvia und blickte genervt an die Decke. »Immer die gleiche alte Geschichte.«
»Wer hat dir die beste Ausbildung ermöglicht, die man mit Geld kaufen kann?«, fragte der alte Mann und bekam einen roten Kopf. »Wer hat dir damals das Apartment auf der King’s Road gekauft? Den Sportwagen? Die ganzen teuren Designerkleider? Und wie hast du es mir vergolten? Indem du einen Versager geheiratet hast!«
»Einen Versager? EINEN VERSAGER ?«, schrie Silvia und schlug so hart mit der flachen Hand auf den Tisch, dass das Porzellan klirrte. »So nennst du meinen Mann, den Vater meiner Tochter? Wie kannst du es wagen!«
»Ich wage es, weil ich dein Vater bin und mir nicht egal ist, was aus dir wird.«
»Ist es dafür nicht ein bisschen zu spät, Papa? Zu spät, sich zu sorgen, was aus mir ›wird‹? Als hättest du nicht alles von Anfang an so geplant.«
Thomas sah unbehaglich zu April hinüber. »Silvia…« Seine Stimme bebte vor Wut. »Es ist nicht nötig…«
»Oh, und ob es nötig ist«, zischte Silvia. »Du wolltest deiner Enkelin doch unbedingt etwas über unsere Familie erzählen.« Sie deutete verächtlich auf das Porträt über dem Kamin. »Nur zu! Erzähl es ihr ruhig, wo du doch so unglaublich stolz auf alles bist, was du getan hast. Wenn mein Mann eine solche Niete ist und du ein so unbescholtenes rechtschaffenes Mitglied dieser Gesellschaft, dann raus damit. Erzähl es ihr, aber lass nichts aus!«
April hatte ihre Mutter noch nie so aufgebracht gesehen. Sie hatte sich über den Tisch gebeugt und funkelte ihren Vater jetzt wütend an. Er erwiderte ihren Blick trotzig, und April sah, dass er kurz davorstand zu explodieren. Die beiden wirkten wie zwei Kampfhunde, die an ihren Ketten zerrten, um sich gegenseitig an die Gurgel springen zu können. Der alte Mann wandte als Erster den Blick ab.
»Das ist jetzt nicht der richtige Moment«, sagte er mühsam beherrscht.
»Das dachte ich mir schon«, entgegnete Silvia.
»Hört auf!«, rief April. »Ich hab zwar keine Ahnung, worüber ihr euch streitet, aber ich finde es
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