Die Schule der Nacht
bodenlanges blütenweißes Seidenkleid und eine weiße Pelzstola, über die schimmernd ihre vollen blonden Haare fielen. Als sie mit ihrem Freund Jonathon, der nervös einen Schritt hinter ihr zurückblieb, auf sie zuschwebte, sah sie aus wie die Weiße Hexe von Narnia.
»Darling!«, rief sie und küsste die Luft neben Aprils Wangen. »Wow!« Sie zog anerkennend eine Braue hoch. »Du siehst fabelhaft aus! Und dieses Kleid… Chloé, oder? Das muss aus der letzten Kollektion sein. Ich hatte vergangenes Jahr fast genau dasselbe. Ach, und wie ich sehe, hast du unseren Gastgeber auch schon kennengelernt«, fügte sie mit einem Blick auf Milo hinzu. »Lass dich von dem blöden Bärtchen nicht abschrecken, normalerweise sieht er nicht ganz so dämlich aus.«
»Vielen Dank, Vina«, entgegnete Milo ironisch und wandte sich dann wieder April zu. »Wir sehen uns bestimmt später«, sagte er und ließ noch einmal langsam den Blick über sie wandern, bevor er sich zum Gehen wandte.
»Nimm dich vor ihm in Acht«, warnte Davina, die Milo finster hinterhersah, als er in der Menge verschwand. »Auf den ersten Blick wirkt er harmlos, aber in seinem Inneren tun sich Abgründe auf. Sagt jedenfalls meine Mutter immer.« Sie drehte sich zu Jonathon um und deutete hoheitsvoll auf Aprils Drink. »Sei so lieb und besorg mir auch so einen, ja?«
»Das Haus ist wirklich wahnsinnig schön«, sagte April bewundernd, als Jonathon weg war.
Davina zuckte mit den Achseln. »Kann schon sein, darüber habe ich nie wirklich nachgedacht. Ich gehe hier ein und aus, seit ich denken kann. Aber für eine Halloweenparty eignet es sich einfach perfekt, oder? Ah… und da wir gerade von Perfektion sprechen. Was sagst du dazu?«, rief sie überdreht, als ein Mädchen in einem hautengen Catsuit und Lacklederstiefeln mit mörderisch hohen Absätzen auf sie zugestöckelt kam. Es dauerte einen kurzen Moment, bis April hinter der aufreizenden Aufmachung Ling Po erkannte, die schüchterne Chinesin, die sie vor ein paar Tagen kennengelernt hatte.
»Schaut sie nicht einfach umwerfend aus?«, schwärmte Davina. »Wir haben den ganzen Tag an diesem Look gearbeitet, nicht wahr, Ling? Sie sieht aus wie eine Sexgöttin!«
April nickte zögernd. »Die Verwandlung ist wirklich… verblüffend.«
Ling schien sich in ihrer Haut alles andere als wohlzufühlen. Vor lauter Unbehagen wusste sie nicht, wohin mit ihren Händen, und rieb sich nervös über die Arme. »Ist es nicht ein bisschen übertrieben?«, fragte sie. »Ich bin es nicht gewöhnt, so… so körperbetont angezogen zu sein.«
»Du kannst es dir leisten, Baby«, sagte Davina begeistert. »Die Typen werden sich heute Abend um dich reißen.«
»Und was sagst du dazu?« Ling sah April zweifelnd an.
»Dass du allen Jungs hier den Kopf verdrehen wirst.« April lächelte Ling aufmunternd zu.
»Okay, April, Darling«, sagte Davina und hakte sich bei Ling unter. »Ich muss dieses heiße Geschöpf dringend noch ein paar anderen Leuten vorstellen. Wir sehen uns dann später, ja?«
April nickte und sah Davina hinterher, die mit hoch erhobenem Haupt davonstolzierte und sich lächelnd und scherzend nach allen Seiten wendend unter die anderen wunderschönen Menschen mischte. Sie sieht so lässig und unangestrengt aus, dachte April neidisch.
»Kann ich dir einen Drink besorgen?«
Sie fuhr herum und blickte in Benjamins leuchtend blaue Augen. Irgendwie hatte sie das seltsame Gefühl, dass er schon eine ganze Weile hinter ihr gestanden hatte.
»Oh… nein danke. Ich hab schon was«, antwortete April und hob ihr Glas.
»Was ist das? Bowle? Ich glaube, da habe ich was Besseres für dich«, sagte Benjamin und führte sie am Ellbogen zur Bar zurück. »Megan?«, rief er, worauf eine der hinter der Theke arbeitenden jungen Frauen sofort herbeigeeilt kam wie ein eifriges kleines Hündchen.
»Was kann ich für dich tun, Ben?«
»Meine Freundin hätte gern einen Apple Pearl, sei doch so nett und mach ihr einen, ja?«
»Klar, kein Problem«, antwortete das Mädchen mit einem verführerischen Lächeln, aber sobald Benjamin sich wegdrehte, verwandelte sich ihre Miene, und April sah, dass sie beinahe grün vor Neid wurde. Keine Sorge, Süße, dein hübscher Ben steht sowieso nicht auf mich, dachte sie, während sie ihn verstohlen musterte.
Benjamin Osbourne hatte definitiv etwas Unwiderstehliches an sich, aber das lag nicht – oder jedenfalls nicht nur – an seinem fantastischen Aussehen. Er besaß Charisma, strahlte
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