Die Schule der Nacht
Stärke und Selbstbewusstsein aus, genau wie seine Schwester. Außerdem hatte er ein umwerfendes Lächeln, das jedes Mal eine Reihe perfekter weißer Zähne entblößte.
»Und, wie geht es meinem unartigen Mädchen heute Abend?«, fragte er mit hochgezogener Braue.
»Ach, weißt du, ich fürchte, so unartig bin ich gar nicht. Die Gerüchte sind maßlos übertrieben, ich war nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Enttäusch mich nicht, April Dunne«, sagte Benjamin und beugte sich zu ihr herunter. »Ich hatte mich schon so darauf gefreut, mich von dir ins Verderben ziehen zu lassen.«
»Ich wüsste gar nicht, wo ich da anfangen sollte«, antwortete April und wandte verunsichert den Blick ab, als ihr klar wurde, dass sie tatsächlich mit ihm flirtete. Er kitzelte eine Seite in ihr hervor, die sie bis jetzt noch gar nicht an sich gekannt hatte, aber sie musste zugeben, dass diese neue selbstbewusste April Dunne ihr ganz gut gefiel.
Lächelnd griff Benjamin nach dem eleganten, mit einer sämigen grünen Flüssigkeit gefüllten Cocktailglas, das die Barfrau gerade auf die Theke gestellt hatte. »Wie wäre es, wenn wir damit anfangen?«, sagte er und reichte es ihr.
April nippte vorsichtig an dem Drink, der köstlich, allerdings auch ziemlich stark nach Alkohol schmeckte.
»Was ist da drin?«
»Jedenfalls nichts für brave Mädchen…«, grinste Benjamin.
April lächelte. »Und du? Trinkst du nichts?«
»Ah! Siehst du? Schon versuchst du mich betrunken zu machen.« Er lachte. »Ich hab’s doch gewusst. Du willst mich also doch ins Verderben ziehen.«
»Der Abend ist noch jung«, sagte April, die allmählich Gefallen an ihrer neuen Rolle als Bad Girl fand.
»Wo ist denn dein Freund?«, fragte sie, um die Unterhaltung wieder in eine unverfänglichere Richtung zu lenken.
»Gabriel?«
April runzelte kurz die Stirn, als sie spürte, wie sich bei der bloßen Erwähnung seines Namens ihr Herzschlag beschleunigte.
Benjamin beobachtete sie belustigt. »Du scheinst nicht besonders gut auf ihn zu sprechen zu sein. Aber ich gebe zu, dass Gabriels Charme tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftig ist.«
»Nein, ich… äh… ich meinte eigentlich deinen anderen Freund. Wie heißt er noch mal… Marcus?«
»Ach so, der muss hier auch irgendwo sein. Unser lieber Marcus ist kein besonders geselliger Mensch, wie du vermutlich schon gemerkt hast.«
»Jedenfalls scheint er mich nicht besonders zu mögen.«
»Nimm es nicht persönlich. Er braucht manchmal ziemlich lange, bis er mit anderen Menschen warm wird.«
»In meinem Fall bin ich mir noch nicht mal so sicher, ob er mich überhaupt als Mensch wahrgenommen hat.«
»Ich kann dir versichern, dass hier sehr viele Leute sind, die dich als Mensch wahrnehmen und sehr sympathisch finden. Und glaub mir, auch wenn du es ihm nicht anmerkst – Marcus ist fasziniert von dir – wie wir alle.«
April wandte verlegen den Blick ab und tat so, als würde sie sich nach bekannten Gesichtern umsehen, spürte jedoch genau, wie Benjamin sie neugierig betrachtete.
»Hast du eigentlich eine Freundin?«, platzte sie plötzlich heraus.
Benjamin warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Du bist ziemlich direkt, findest du nicht? Aber das gefällt mir. Das gefällt mir sogar sehr.«
»Das beantwortet aber noch nicht meine Frage.«
Benjamin beugte ganz langsam den Kopf zu ihrem Ohr hinunter und flüsterte: »Die Nacht ist noch jung, April Dunne, die Nacht ist noch jung.«
Sein warmer Atem auf ihrer Haut jagte ihr einen Schauer über den Rücken, und sie schloss für einen Moment die Augen und ertappte sich bei dem Gedanken, wie es sich wohl anfühlen würde, ihn zu küssen. Als sie die Augen wieder aufschlug, war er nicht mehr da. Verwirrt blickte sie sich um, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Wie hat er das bloß gemacht?, fragte sie sich irritiert und nahm einen tiefen Schluck von ihrem Cocktail.
Allmählich bereute April es, auf die Party gekommen zu sein. Sie kannte nur eine Handvoll Leute und niemanden so gut, dass sie es gewagt hätte, sich einfach dazuzustellen und in ein Gespräch einzumischen. Davina war sie den ganzen Abend über nur zweimal über den Weg gelaufen, und beim letzten Mal war sie kurz stehen geblieben, um ihr brühwarm zu erzählen, sie hätte Gabriel und ein Mädchen namens Sara gerade gemeinsam im Badezimmer verschwinden sehen. »Und was das heißt, kannst du dir ja wohl selbst denken«,
Weitere Kostenlose Bücher