Die Schule der Nacht
sie widerstrebend, aber gehorsam den Rückzug aus der Küche an.
Ben streckte die Hand aus, um April aufzuhelfen, und gab ihr das Handy zurück. »Alles okay?« Er berührte sie sanft an der Schulter. »Hoffentlich hast du dir nicht wehgetan?«
»Alles okay.« Sie schüttelte seine Hand ab. »Ich würde jetzt nur gern allein sein.«
»Hey, es tut mir leid, dass meine…«
»Lass mich einfach in Frieden, okay?« April stürmte aus der Küche und bahnte sich wütend einen Weg durch die feiernde Meute im Flur, ohne auf die verwirrten Blicke oder empörten Rufe zu achten, wenn sie jemanden anrempelte oder zur Seite schubste. Sie wollte nur noch weg von hier und allein sein. Sie war unglaublich wütend auf Marcus, auf Davina, die sie eingeladen hatte, und auch auf sich selbst, weil sie so dumm gewesen war zu glauben, dass sie zu diesen Leuten passen würde. Ohne zu wissen, wo sie eigentlich hinlief, rannte sie durchs Haus, bis sie schließlich vor einer Glastür stand, die in einen beleuchteten Wintergarten führte. Als sie eintrat und sich umblickte, warfen die verglasten Wände, die bei Tag bestimmt einen hübschen Blick nach draußen boten, ihr Spiegelbild zurück. Gott, ich sehe grauenhaft aus. Sie kramte ihre Puderdose aus der Tasche und betrachtete sich in dem kleinen Spiegel. Ihre Wimperntusche war zerlaufen, und ihre Wangen glühten – aber, hey, schließlich ist Halloween , dachte sie ironisch.
In einer Ecke entdeckte sie ein paar Korbsessel, die um einen Tisch gruppiert waren. Nachdem sie sich gesetzt hatte, fächelte sie sich Luft zu und atmete tief durch, dann zog sie ein Taschentuch hervor und versuchte, so gut es ging, ihr verschmiertes Make-up zu richten. Auf dem Tisch standen eine offene Flasche Weißwein und mehrere leere Gläser. Offensichtlich war sie nicht die Erste, die den Wintergarten entdeckt hatte. Sie goss sich etwas Wein in ein noch unbenutztes Glas, trank es in einem Zug aus, verzog das Gesicht und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Die Cocktails hatten deutlich besser geschmeckt, aber schließlich hatte sie den Wein ja nur aus medizinisch-therapeutischen Gründen getrunken. Plötzlich spürte April, dass sie nicht mehr allein war, und drehte sich um. In der Tür stand Milo und lächelte verlegen.
»Darf ich dir ein bisschen Gesellschaft leisten?«
April zuckte mit den Achseln. Gesellschaft war das Letzte, was sie im Moment brauchte.
Milo setzte sich in den Stuhl neben ihr. »Ich hab gerade gesehen, wie du am Salon vorbeigerannt bist. Ist alles okay?«
»Nein! Nichts ist okay!«, brach es aus April heraus. »Deine Freunde haben mich den ganzen Abend wie Dreck behandelt, und ich habe keine Ahnung, warum. Schließlich hab ich niemandem etwas getan und wollte einfach nur einen netten Abend verbringen, aber anscheinend ist es zu viel verlangt, sich mir gegenüber zumindest höflich zu verhalten. Klar, ich bin ja auch bloß die Neue …« Auf einmal brach die ganze Enttäuschung aus ihr heraus, und sie konnte auch die Tränen nicht mehr zurückhalten. Wütend wischte sie sich mit dem Handrücken über die Wangen.
»Tut mir leid«, flüsterte sie, ohne Milo anzusehen. »Du kannst schließlich nichts dafür. Die Party war nur der totale Reinfall für mich.«
Milo nahm eine Serviette vom Tisch und reichte sie ihr. »Tja, ich würde zwar gern das Gegenteil behaupten, aber leider können meine Freunde manchmal tatsächlich ganz schöne Arschlöcher sein. Das bringt das Ganze wohl zwangsläufig mit sich, fürchte ich.«
April putzte sich die Nase und tupfte sich vorsichtig die Augen ab, um nicht schon wieder ihre Wimperntusche zu verschmieren.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, wenn man auf eine Eliteschule geht, aus einer reichen Familie kommt und weiß, dass man für sein Geld nie wird arbeiten müssen oder wenn doch, automatisch einen Job bekommt, in dem man genau wie Daddy ein Vermögen verdienen wird. Wenn man sozusagen zu den oberen Zehntausend gehört. Das führt dann schnell dazu, dass Leute sich für etwas Besseres halten.« Er grinste. »Und wenn dann auch noch ein hübsches Mädchen ins Spiel kommt, drehen wir vollends durch und schlagen uns ihretwegen gegenseitig die Köpfe ein.«
April errötete. »Und wie kommt es dann, dass du so nett bist?«
Er lächelte. »Ich weiß nicht, ob ich das wirklich bin, aber ich versuche halbwegs auf dem Boden zu bleiben und gebe mir Mühe, nach Möglichkeit kein allzu großes Arschloch zu sein.«
April schenkte sich Wein nach –
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