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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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ausstreckte und damit rechnete, jeden Moment gegen einen Baum zu laufen oder über etwas zu stolpern.
    »Gabriel!«, zischte sie nach einer Weile. »Bitte sag mir endlich, wo wir hingehen!«
    »Wir sind schon da.«
    Sie traten auf eine Lichtung mit einer riesigen, düster aussehenden, kreisförmigen Anlage, in deren Mitte sich ein mächtiger Baum erhob – es sah aus, als würde er aus einem gigantischen Pflanzenkübel herauswachsen. Mit einem Mal hatte April das sichere Gefühl, dass sie schon einmal hier gewesen war. Und dann begriff sie: Sie waren auf dem Friedhof.
    »Was ist das?«, fragte sie beunruhigt.
    »Das ist der Circle of Lebanon«, sagte Gabriel lächelnd. »Das Highlight des Highgate-Friedhofs.«
    Er nahm ihre Hand und zog sie auf eine Treppe zu, die zu einem Durchgang führte, durch den sie in die Anlage traten.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er, als er ihr wachsendes Unbehagen spürte. »Das ist ein guter Ort. Hier kommen noch nicht einmal Füchse her.«
    Auch wenn es jeder Logik entbehrte, hatte April das seltsame Gefühl, dass ihr in Gabriels Gegenwart tatsächlich keine Gefahr drohte.
    »Wow«, hauchte sie, als sie innerhalb des steinernen Ringes standen. Sie hatte erwartet, dass es darin dunkel und unheimlich sein würde, aber da hatte sie sich getäuscht. Das Mondlicht erleuchtete das Mauerwerk, als wäre es helllichter Tag. In gleichmäßigen Abständen waren in den inneren und äußeren Mauerkreis schwarze Flügeltüren eingelassen. Teilweise waren Namen in den Stein gemeißelt worden.
    »Das sind Katakomben, oder?«, flüsterte April. »Komisch. Obwohl wir hier inmitten von Gräbern stehen, fühle ich mich total sicher und habe keine Angst.«
    »Diese Katakomben sind 1839, in dem Jahr, in dem der Friedhof eröffnet wurde, gebaut worden. Sie sollten besonders schön und prächtig aussehen, weil man wollte, dass möglichst viele Leute ihre verstorbenen Angehörigen hier zur letzten Ruhe betten. Man könnte sagen, dass sie sozusagen das Schaufenster des Friedhofs waren.«
    Während sie an den massiven schwarzen Eisentüren vorbeischlenderten, verspürte April seltsamerweise kein Unbehagen, sondern Faszination. Wer waren die Menschen, die hinter diesen Mauern lagen? Was hatten sie für ein Leben geführt – waren sie glücklich gewesen?
    »Dahinter gibt es nicht besonders viel zu sehen«, sagte Gabriel, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Die sterblichen Überreste sind in Bleisärgen beigesetzt worden und mittlerweile zu Staub zerfallen. Aber ich finde, man spürt ganz deutlich, wie viel Liebe dieser Ort ausstrahlt. Die Leute haben mit so viel Mühe dafür gesorgt, dass man sich an ihre Verstorbenen erinnert. Das tut man nur für Menschen, die man sehr geliebt hat.«
    Als sie im Schatten eines kleinen Mauervorsprungs stehen blieben, schloss April einen Moment lang die Augen, um sich ganz der Stimmung des Orts hinzugeben.
    »Vielleicht klingt es seltsam«, sagte Gabriel mit gedämpfter Stimme, »aber ich bin davon überzeugt, dass bestimmte Gegenstände und Orte Gefühle in sich aufnehmen und konservieren können. Deswegen gehen zum Beispiel selbst Menschen in Kirchen, die gar nicht besonders gläubig sind.«
    April sah sich um. Gabriel hatte vollkommen recht – dieser Ort hatte nichts Unheimliches oder Gruseliges an sich. Aus irgendeinem Grund hatte sie das intensive Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein, obwohl sie mit Sicherheit wusste, dass das nicht der Fall sein konnte. Trotzdem kamen ihr die grauen Mauern, die eingemeißelten Inschriften, selbst das Muster, das das Mondlicht auf den Pfad malte, merkwürdig vertraut vor.
    »Ich finde nicht, dass es seltsam klingt«, antwortete sie schließlich. »Es bezweifelt ja auch niemand, dass Stonehenge, oder selbst so etwas wie ein Ehering, eine gewisse magische Kraft ausstrahlt.«
    Gott, wie komme ich denn jetzt auf Eheringe?, fragte sie sich verlegen. Am Ende denkt er noch, ich würde schon die Hochzeitsglocken für uns beide läuten hören.
    Aber Gabriel schien nichts dergleichen zu denken. Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und führte sie auf ein schmiedeeisernes Tor zu.
    »Das ist das Kolumbarium, der einzige Ort auf dem Friedhof, an dem Urnen beigesetzt werden können. Wenn du durch die Gitterstäbe schaust, kannst du sie sehen.«
    April hielt sich an den kalten Eisenstäben fest und presste ihr Gesicht dazwischen. Gabriels Hände lagen immer noch auf ihren Schultern, und sie spürte die Wärme seines Körpers

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