Die Schule der Nacht
April« – Miss Holden zog Aprils Hausarbeit aus dem Hefter –, »reicht das noch nicht. Für eine gewöhnliche Schule wäre es vielleicht genug, aber die Ravenwood School ist nun mal keine gewöhnliche Schule.«
»Das können Sie laut sagen«, murmelte April.
»Passen Sie auf, in welchem Ton Sie mit mir sprechen, junge Dame.« Die Lehrerin sah sie scharf an. »Natürlich versuche ich zu berücksichtigen, dass es vermutlich nicht Ihre Entscheidung war, auf diese Schule zu gehen, aber da Sie nun einmal hier sind, hat es wenig Zweck, damit zu hadern. Sie waren heute während des Unterrichts schon wieder extrem unaufmerksam. Möchten Sie an dieser Schule bleiben, April?«
Da April nicht wusste, was sie darauf antworten sollte, starrte sie auf den Boden.
»Dann will ich Ihr Schweigen mal als ein Ja werten.« Miss Holden seufzte. »Na gut, ich sage Ihnen, was wir tun werden.« Sie griff nach Aprils Arbeit und zerriss sie mit einer resoluten Bewegung in zwei Hälften.
Aprils Augen weiteten sich empört. »Aber daran hab ich Stunden gesessen«, rief sie.
»Was offensichtlich nicht gereicht hat«, sagte die Lehrerin und warf die zerrissene Arbeit in den Abfalleimer. Dann zog sie einen Bogen Papier aus dem Ordner und reichte ihn April. »Das ist Ihre neue Hausaufgabe. Die Kirche und ihre Rolle hinsichtlich der Schaffung gesellschaftlicher Strukturen im Mittelalter. Ich habe eine Leseliste beigefügt, die meisten darauf verzeichneten Bücher finden Sie in der Schulbibliothek. Wissen Sie, April, es würde Ihnen unglaublich guttun, wenn Sie anfangen würden zu lesen, statt ohne nachzudenken einfach Inhalte aus dem Internet zu übernehmen und leicht umzuformulieren. Ich möchte, dass Sie sich diesmal wirklich ins Zeug legen und mir zeigen, was in Ihnen steckt.«
April sah von dem Blatt Papier zu Miss Holden und wieder auf das Blatt. Auf der Liste standen sieben oder acht Bücher – erwartete ihre Lehrerin etwa allen Ernstes, dass sie die alle las?
»Das war es fürs Erste. Sie können gehen«, sagte Miss Holden.
»Aber…«
»Ja?«
April schüttelte den Kopf. »Nicht so wichtig. Das heißt… können Sie mir vielleicht etwas zum Circle of Lebanon sagen?«
Miss Holden sah sie stirnrunzelnd an. »Sie interessieren sich wohl für die Geschichte der Gegend hier? Nun, das ist immerhin ein Anfang.« Sie nahm ihr das Aufgabenblatt aus der Hand und fügte einen handschriftlichen Literaturverweis hinzu. »Ach, und April?«
»Ja?« April seufzte.
»Zur Bibliothek geht es in diese Richtung«, sagte Miss Holden und deutete nach rechts. »Am Ende des Flurs links. Sie können sie gar nicht verfehlen.«
April hatte Tränen in den Augen, als sie den Flur entlangging. Diese gemeine Hexe! Statt mitfühlend auf sie einzugehen und ihr zu helfen, wie man es von einer guten Lehrerin erwarten konnte, zerriss sie ihre Arbeit und machte sie fertig!
»Hallo, April.«
Sie fuhr herum und stand Layla und Sara Gold gegenüber. Sara war eines der rangniedrigeren Mitglieder der »Schlangen« und laut Davina das Mädchen, das auf der Party mit Gabriel im Badezimmer verschwunden war. Die beiden tuschelten und schienen sich königlich über irgendetwas zu amüsieren.
»Oh… äh… Hallo«, murmelte April und ging schnell weiter.
»Wie hat dir die Party denn so gefallen?«, rief Sara ihr spöttisch hinterher.
April blieb stehen und drehte sich zu den beiden um. »Ganz gut, wieso fragst du?«, entgegnete sie.
»Nur so. Ich hab gehört, du hättest sogar ziemlich viel Spaß gehabt.«
»Was willst du damit sagen?«, fragte April alarmiert.
»Ach, nichts weiter«, mischte Layla sich ein. »Es heißt nur, dass du deine Gunst extrem großzügig verteilst.«
Sara brach darüber in schallendes Gelächter aus, und April stellte mit einigem Unbehagen fest, dass sich bereits eine kleine Gruppe Schaulustiger um sie geschart hatte.
»Dasselbe könnte ich auch von dir behaupten, Sara«, sagte April scharf. »Ich habe gehört, dass du ziemlich viel Zeit im Badezimmer verbracht hast.«
Saras Lachen erstarb abrupt. »Wer hat das gesagt?«
In diesem Moment kam Caro durch die Schwingtür der Cafeteria gestürmt, packte April am Arm und zog sie mit sich den Flur hinunter. »Wir müssen uns dringend unterhalten«, zischte sie.
»Was ist denn los?«
»Nicht hier.« Sie zog April durch eine Tür auf den Innenhof und blieb ein paar Meter vom Gebäude entfernt stehen. »Irgendjemand verbreitet das Gerücht, dass du dich mit so ziemlich jedem Typen auf der
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