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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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seinen dämlichen Freunden tuschelten. Außerdem hatte sie etwas Wichtiges zu erledigen. Den Blick gesenkt, ging sie den Flur hinunter, bog um die Ecke und tat so, als würde sie etwas in ihrer Tasche suchen, um niemanden ansehen zu müssen. Am Ende eines langen Flurs blieb sie vor einer Holztür stehen, neben der ein Schild mit der Aufschrift »Chandler Library« angebracht war. Dahinter lag ein überraschend großer Raum mit hoher Decke und einer ringsum verlaufenden Galerie. In der Mitte standen Tische mit hochmodernen Computern.
    »Beeindruckend, nicht wahr?«, fragte eine Stimme links von ihr. April drehte sich um und entdeckte eine grauhaarige alte Dame, die hinter einer Informationstheke saß und einen Stapel Bücher abstempelte. Sie musste um die achtzig sein, hatte eine wächserne, von tiefen Falten durchfurchte Haut und trug eine Hornbrille, die mindestens seit 1956 aus der Mode war.
    »Entschuldigen Sie?«
    »Ich habe gesehen, wie Sie sich hier umgeschaut haben.« Die alte Dame lächelte. »Die meisten Schüler sind von der Größe der Bibliothek überrascht, wenn sie zum ersten Mal hierherkommen. Dieser Teil des Gebäudes wurde an das ursprüngliche Herrenhaus angebaut, als es zu einer Schule umfunktioniert wurde. Ich vermute, man wollte sicherstellen, dass all die jungen klugen Köpfe genügend Bücher zur Verfügung haben würden.«
    April sah sich um. An einem der Tische in der Mitte des Raums saßen zwei asiatisch aussehende Mädchen, und ein paar Schüler standen in den Gängen und stöberten in Regalen, aber die Bibliothek war bei Weitem nicht so gut besucht, wie sie gedacht hätte.
    »Tja, heutzutage läuft alles nur noch über das Internet«, sagte die Frau mit einem geringschätzigen Blick auf die Computer. »Oder die begüterten Eltern kaufen ihren Sprösslingen jedes Buch, das sie benötigen. Die Lesegewohnheiten der Menschen haben sich verändert. Dadurch ist die Chandler Library zu einer Fundgrube für seltene Fachbücher geworden, was ich durchaus befürworte, aber mir wäre es lieber, wenn die Leute sie auch lesen würden.«
    April nickte ihr lächelnd zu und steuerte dann einen der Gänge an.
    »Ihr Bibliotheksausweis?«
    »Verzeihung?«
    »Ich nehme an, Sie besitzen noch keinen Bibliotheksausweis?«
    »Ach so, natürlich… ich brauche ja einen Ausweis.«
    Die alte Dame schob ihr ein Anmeldeformular zu. »Füllen Sie das bitte aus, alles andere erledige ich dann.«
    April warf ihr einen überraschten Blick zu – die Frau bewegte sich mit einer Behändigkeit, die sie ihr in ihrem Alter niemals zugetraut hätte. Ihre Miene blieb unbewegt, aber ihre Augen funkelten schelmisch. »Ich bin übrigens Mrs Townley. Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie einfach.«
    April bedankte sich und ging in die Geschichtsabteilung, die in die Bereiche Militär, Gesellschaft, Weltgeschichte und Politik unterteilt war. Die Regale waren unglaublich gut bestückt, aber keines schien zu enthalten, wonach sie suchte. Eines der Bücher – »Die Inquisition in Großbritannien« – wirkte zunächst vielversprechend, aber abgesehen von ein paar Abbildungen von gefolterten und auf dem Scheiterhaufen verbrannten Ketzern bot es nur wenig, was für sie von Interesse gewesen wäre. Seit Caro vor ein paar Tagen zum ersten Mal Vampire erwähnt hatte, hatte April bereits im Internet zu dem Thema gesurft, aber nichts gefunden, was über das hinausging, was sie ohnehin schon aus Romanen und Filmen wusste – dass Vampire Knoblauch verabscheuten, im Spiegel nicht zu sehen waren und zu Asche verbrannten, sobald sie mit Sonnenlicht in Berührung kamen. Wobei die Sache mit dem Spiegel noch am interessantesten schien, weil das Prinzip möglicherweise auch auf Kameras zu übertragen war und etwas mit dem Silber zu tun hatte, mit dem alte Spiegel auf der Rückseite beschichtet waren. Leider kursierten im Netz viele widersprüchliche Informationen, was daran lag, dass die meisten Leute ihr Wissen aus Filmen und Büchern bezogen und gegenseitig voneinander abschrieben. Sie hatte auch absurde Blogs gefunden, in denen depressive Jugendliche von sich behaupteten, Vampire zu sein, allerdings gleichzeitig auch betonten, keine blutdürstigen Killer zu sein. Sie beteuerten, die »einzig wahre Wahrheit« über Vampire zu kennen, aber bei den meisten Einträgen, die April gelesen hatte, handelte es sich um eher bedauernswerte sexuelle Fantasievorstellungen. Im Grunde genommen suchte sie nach einem Buch, das denen ähnelte, die ihr Vater schrieb.

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