Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
beiden da.«
»Dein Freund ist ein Hexer! Dein Freund ist ein Hexer!«, murmelt Jazmín immer wieder mit heiserer Stimme und verstörtem Gesichtsausdruck. »Der Junge ist ein Dämon!«
Die junge Thailänderin geht zu dem armen Jazmín, um ihn zu stützen. Er sieht aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Sie fragt ihn etwas in ihrer Sprache, er antwortet, und dann sagt sie: »Verschwindet auf der Stelle! Oder ich rufe die Polizei!«
»Warum?«, fragt Metáfora. »Was ist passiert?«
»Haut ab! Raus hier!«
»Aber was ist denn passiert?«
Der Typ auf der Pritsche zeigt auf meine Stirn und ruft: »Der Drache hat Jazmín angegriffen! Er lebt!«
»Was? Spinnst du oder was?«, fragt Metáfora verständnislos.
»Der Drache ist gefährlich!«
Ich sehe Metáfora an und befühle meine Stirn. Ich verstehe nicht, wovon er redet. Wahrscheinlich ist er betrunken. Zeichnungen sind nicht gefährlich und attackieren keine Menschen.
»Dein Drache geht auf Menschen los!«
»Verschwindet oder ich rufe die Polizei!«, droht uns das thailändische Mädchen wieder. »Sofort!«
Rasch ziehe ich das T-Shirt wieder an. Als ich meine Jacke nehmen will, richtet sich der Kunde auf der Pritsche auf und sagt: »He, Jazmín, ich will auch so einen Drachen haben! Einen genauso bösen, ja?«
Beim Hinausgehen hören wir, wie Jazmín den armen Mann anschreit: »Mach dich nicht über mich lustig, du Idiot! Niemand lacht über Jazmín!«
* * *
Auf der gesamten Busfahrt zurück zur Stiftung wechseln wir kaum ein Wort. Wir sind beide immer noch ganz durcheinander.
Ich schaue hinaus auf die Straße. Passanten gehen hin und her, als wäre alles in Ordnung, als gäbe es keine Probleme. Ich beneide sie. Wenn sie wüssten, dass sich unter ihren Füßen eine andere, geheime Welt verbirgt, verschüttet und verborgen, würden sie sich vermutlich anders verhalten.
Wenn es stimmt, was Hinkebein uns erzählt hat, und Férenix auf antiken Ruinen erbaut ist und wenn sich unter der Stiftung ein wertvoller Schatz befindet, dann wird sich unsere finanzielle Situation vielleicht irgendwann verbessern.
Doch ich bin mir nicht sicher, dass es eine Lösung für mein ganz persönliches Problem gibt, im Gegenteil. Jeder Schritt, den ich tue, beweist mir, dass ich zwei Leben habe … dass ich in zwei Welten lebe.
»Sag mal, Arturo … dieses Mädchen … Alexia … Ist sie blond oder schwarzhaarig?«
»Und warum ist das wichtig?«
»Ist es gar nicht, aber ich habe gerade daran gedacht, dass Jungs immer von dem träumen, was sie gerne hätten. Und da würde ich nur gerne wissen, wie das Mädchen aussieht, von dem du träumst.«
»Tja, weiß nicht, darüber hab ich noch nicht nachgedacht.«
»Na ja, ist auch egal … Träum du nur weiter von deiner Hexe. Vielleicht kann sie dir ja besser helfen als ich.«
»Hör auf, so zu reden.«
»Ich wüsste wirklich zu gerne, was mit Jazmín passiert ist. Und vielleicht erzählst du mir ja mal, ob du dasselbe gesehen hast wie er. Aber lüg mich nicht an. Sonst möchte ich lieber nichts hören.«
Ich schweige und blicke wieder nach draußen auf die Straßen von Férenix. Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. Ich weiß nicht, was ich gesehen habe. Und vor allem weiß ich nicht, was ich von alldem halten soll.
Drittes Buch
Die Mächte des Bösen
leer
I
Die Abtei am Ende der Welt
A rturo und seine Begleiter konnten den Hauptturm von Ambrosia in der Ferne kaum erkennen, dichtes Schneetreiben verwehrte ihnen die Sicht. Nur mühsam kamen sie voran und Pferde wie Reiter waren vollkommen entkräftet. Ihr Anblick erinnerte an Eisfiguren, die sich widerwillig über die Schneedecke schieben ließen.
Die Abtei hob sich kaum von der Umgebung ab. Sie war so sehr in die Schneelandschaft eingebettet, dass man den Eindruck hatte, sie wäre zusammen mit ihr entstanden. Ambrosia war die älteste Klostereinrichtung, die es gab. Sie lag versteckt, fernab von jedem Königreich, und nur wenige Menschen wussten von ihrer Existenz. Besucher kamen so selten hierher, dass niemand eine genaue Vorstellung davon hatte, welcher Beschäftigung die Mönche eigentlich nachgingen. Die Bauern der Umgebung hatten sie so gut wie vergessen, denn die Abtei benötigte kaum Lebensmittel von außerhalb. Sie versorgte sich selbst dank ihres riesigen Nutzgartens, den die Mönche mit viel Fleiß bestellten. Darüber hinaus fertigten sie im Auftrag verschiedener Könige Abschriften von Büchern und Pergamenten an. Zu jenen Herrschern zählte auch
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