Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
er das«, sagt Metáfora. »Es sollen auch Gegenstände zu sehen sein, die den mittelalterlichen Schreibern gehört haben.«
»Super!«, sage ich. »Ich hab auf der Website nachgeschaut, wir werden Gegenstände zu sehen kriegen, die bis jetzt nur selten ausgestellt worden sind.«
Der Kellner stellt unsere Tassen auf den Tisch und legt den Kassenbon daneben. Dann zieht er sich wieder zurück.
»Die Ausstellung hat unter den Wissenschaftlern, die das Mittelalter erforschen, viel Beachtung gefunden«, sagt mein Vater.
»Es werden auch Autoren von historischen Romanen anwesend sein«, sagt Metáfora mit einem Blick aufs Programm. »Vielleicht haben wir Glück und kriegen ein Autogramm … Heute Nachtmittag ist Jon Leblanc da, der Autor von Mittelalterliche Träume .«
»Die Realität übersteigt die Fantasie der Schriftsteller um ein Vielfaches«, sagt mein Vater, nachdem er einen Schluck Kaffee getrunken hat. »Die Welt ist voller Abenteuer, die viel fantasievoller sind als solche, die in Ritterromanen und Fantasy-Geschichten erzählt werden, das könnt ihr mir glauben.«
Norma legt ihre Hand auf die meines Vaters, wie um ihre Zustimmung auszudrücken.
Metáfora und ich zwinkern uns zu.
»Aber manche Menschen sind in der Lage, die Wirklichkeit zu übertreffen«, widerspricht Metáfora. »Sie haben eine sehr rege Fantasie.«
Mein Vater nippt wieder an seinem Kaffee und antwortet lächelnd: »Das sagst du, weil du noch so jung bist. Wenn du älter wirst, wirst du mir recht geben, glaub mir. Du wirst feststellen, dass die Realität nicht übertroffen werden kann und dass die Fantasie ein Bestandteil der Jugend ist.«
»Wir müssen gehen«, drängt Norma. Sie ruft den Kellner. »Sonst kommen wir zu spät.«
Mein Vater, Metáfora und ich trinken schnell aus und stehen auf. Norma hat inzwischen die Rechnung bezahlt, und wir gehen in die Vorhalle des Museums, die schon voller Menschen ist.
»Ich hätte nie gedacht, dass das Interesse fürs Mittelalter so groß ist«, gesteht Norma.
»Es gibt sogar Gesellschaften und Vereinigungen wie die ›Freunde des Mittelalters‹«, klärt mein Vater sie auf. »Viele Leute verbringen einen Großteil ihrer Zeit damit, das Mittelalter zu studieren und zu analysieren. Sie veranstalten Freizeitlager, in denen sie so leben und sich so kleiden wie die Menschen damals. Du würdest staunen, wenn du sehen würdest, wie groß die Begeisterung für diese Epoche ist.«
Wir betreten den Ausstellungssaal, wo uns gleich die erste Attraktion erwartet: die exakte Nachbildung eines mittelalterlichen Skriptoriums, des Ortes also, an dem die Mönche Bücher und Pergamente beschrieben und Zeichnungen angefertigt haben.
Im Raum stehen mehrere Schreibtische, Schreibpulte und Truhen zur Aufbewahrung von Büchern, Kandelaber, Kerzen, Tintenfässer und Schreibfedern. An den Wänden hängen Vergrößerungen von Pergamenten mit wunderschönen Kalligrafien darauf. Die Pförtner und Aufseher sind sogar so gekleidet wie im Mittelalter. Ein beeindruckender Anblick!
Wir fühlen uns plötzlich in eine vergangene Epoche zurückversetzt. Ein tolles Gefühl. Das Szenario ist mir so vertraut, als hätte ich damals gelebt.
Nachdem wir ein wenig herumgegangen sind und die großartigen Werke bestaunt haben, gehen wir hinüber in den Vortragssaal.
»Ich bin richtig aufgeregt«, flüstert mein Vater. »Der Redner ist ein Mönch, ein echter Kalligraf. Vielleicht habe ich nach dem Vortrag die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen. Ich würde ihn gerne als Mitarbeiter für meine Forschung gewinnen.«
Wir nehmen gerade Platz, als auch schon das Licht gelöscht wird. Der Vortrag kann beginnen. An dem Tisch auf dem Podium sitzen zwei Männer: ein Mönch und ein vornehm aussehender Herr.
»Guten Tag, mein Name ist Jon Leblanc, ich bin Schriftsteller und schreibe über mittelalterliche Themen. Ich möchte Ihnen Bruder Tránsito vorstellen. Er ist Mönch und Kalligraf …«
Bruder Tránsito? Ein Mönch?
»… und wird uns in die Geheimnisse der mittelalterlichen Schreibkunst einweihen.«
Den Namen habe ich schon einmal gehört. Aber ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann …
»Meine Fähigkeit, Buchstaben zu malen, habe ich schon sehr früh entdeckt«, beginnt Bruder Tránsito seinen Vortrag. »Das und den Wunsch, ein zurückgezogenes, der inneren Einkehr gewidmetes Leben in Abgeschiedenheit zu führen, haben mich veranlasst, in das Kloster von Montefer außerhalb von Férenix einzutreten. Es ist ein wenig
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