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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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war als Anwältin erfolgreich, hatte aber nie geheiratet und auch keine Kinder.
    »Sehen Sie Ihren Vater oft?«, fragte Fry.
    »Er ist doch schon ziemlich betagt«, antwortete Maggie.
    »Und?«
    »Nun, wir stehen uns nicht sehr nahe.«
    »Gilt das auch für Ihre Schwester?«
    »Cath? Sie hat ihre eigene Familie. Einen Mann und vier Kinder. Warum sollte sie sich da mit mir abgeben? Sie ist rundum zufrieden in ihrem irischen Provinznest.«
    »Haben Sie sich auch so ein Leben gewünscht, Maggie?«
    Aber Maggie lächelte nur. Fry lernte langsam, die Zeichen zu deuten. Ein Lächeln hieß, dass sie an ein Thema gerührt hatte, über das sie nicht sprechen wollte.
    »Und Sie, wie steht es mit Ihnen, Diane?«, fragte Maggie. »Verheiratet?«
    »Nein.«
    »Kinder?«
    »Nein.«
    »Nein? Weil es sich mit Ihrer Karriere nicht vereinbaren ließe? Keine Kinderkrippe auf dem Polizeirevier? Kein Mann daheim, keine Schwiegermutter, die auf die lieben Kleinen aufpasst? Ja, manche Frauen haben es nicht leicht. Das weiß ich. Ich sehe es oft genug bei meinen Kolleginnen. Als ob sie dauernd ein unsichtbares Baby mit sich herumschleppen. Aus der Aktentasche quellen Windeln, das Kostüm mit Babybrei bespuckt, und sie können die Augen kaum offen halten, weil sie in der Nacht vor einer wichtigen Verhandlung keinen Schlaf bekommen haben. Sie können einem nur Leid tun.«
    »So etwas gibt es bei der Polizei auch.«
    »Und bei Ihnen regen sich keine mütterlichen Gefühle, Diane? Sie haben keine Angst, weil Ihre biologische Uhr tickt?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Sie Glückliche. Ich finde die Idee, ein Kind zu haben, ehrlich gesagt, ziemlich grauenhaft. Grässliche, kleine, kotzende Bälger. Ich kann verstehen, warum manche Frauen lieber abtreiben. Eine schlimme Sache, aber in manchen Fällen sicher immer noch besser, als sich ein Kind an den Hals zu hängen.
    Fry war nicht entgangen, dass Maggie mit ihren vorsichtig tastenden Bemerkungen ihre Einstellung zu dem Thema auszuloten versuchte. Sie machte ihre Sache sehr geschickt, aber als Anwältin kannte sie sich mit subtilen Befragungstechniken natürlich aus. Dass Fry ihre Fragen beantwortet hatte, fasste sie natürlich als Ermutigung auf. Der Polizistin blieb nur eine Wahl. Entweder sie spielte mit und erzählte Maggie, was sie wissen wollte, oder sie weigerte sich, auf die Gefahr hin, das zerbrechliche Vertrauensverhältnis zu zerstören, das sie so mühsam aufgebaut hatte.
    »Ich hatte einmal eine Abtreibung«, sagte Fry.
    Maggie senkte die Stimme.
    »Es heißt ja immer, dass man sich später fragt, wie das Kind wohl ausgesehen hätte und ob es ein Junge oder Mädchen geworden wäre. Dass man überlegt, welchen Namen man ihm gegeben hätte. Anscheinend ist nicht einmal eine Abtreibung ein endgültiger Schlussstrich.«
    »Ja, da haben Sie Recht.«
    Zwischen den beiden Frauen wurde es still. Fry klammerte sich an das Schweigen, zu kostbar war das darin angedeutete Verständnis. Andererseits spekulierte sie aber auch, wie sie es am besten nutzen könnte. Der Augenblick war günstig wie nie.
    »Das ist noch nicht alles, nicht wahr?«, fragte Maggie leise. »Es gibt noch etwas anderes, was Sie nicht vergessen können.«
    »Ja«, antwortete Fry. »Auch damit haben Sie Recht.« Jetzt hieß es, Augen zu und durch. Verarbeiten konnte sie das Gespräch später immer noch.
    Doch Maggie schien nicht weiter in sie dringen zu wollen.
    »An manche Dinge muss man sich erinnern, ganz egal, wie weh es tut«, sagte sie.
    »Schmerz als Notwendigkeit?«
    »Vielleicht. Aber muss es immer ein Schmerz sein, den man sich selbst zufügt? Ist das nicht der Schmerz, der am schlimmsten quält?«
    Fry legte die Zeigefinger auf die Aufnahmetasten und sah Maggie an.
    »Sollen wir es noch einmal versuchen?«
    Maggie schloss die Augen. Die Bänder surrten leise.
    »Denken Sie daran zurück, als Sie in Ringham ankamen …«
    Maggie atmete ruhig. »Ich erinnere mich an das Laub unter meinen Füßen«, sagte sie. »Haufen von Laub. Es raschelte. Tausende toter Blätter. Ich habe sie mit den Schuhen aufgewirbelt, wie ich es als Kind gemacht habe. Ein Blätterberg, braun und golden.«
    Fry dachte schon, das wäre alles. Sie lauschte auf das Klicken der Kassettenrekorder. Als sie Maggie gerade sacht mit einer Frage anstoßen wollte, sprach sie weiter.
    »Der Wind wirbelte die Blätter umher, und ich habe versucht, sie zu fangen. Sie landeten auf mir, auf meinen Armen und in meinem Gesicht, auf meiner Haut. Sie waren kalt und

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