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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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gehen«, sagte Seine Lordschaft ungalant. »Ich kann Eure Sicherheit hier nicht garantieren.«
    »Warum nicht?« fragte sie. »Ihr könnt Eure Tore verschließen.«
    »Herrgott! Es sind Tausende!« Seine Stimme war schrill vor Furcht. Inzwischen waren wir alle aufgesprungen. »Das ist keine Rotte von Lehrjungen, es ist eine wilde Meute, die schwört, sie werde Euch aufknüpfen. Ihr solltet besser nach Greenwich zurückkehren, Lady Anne.«
    Sie zögerte einen Augenblick, begriff dann aber, daß er entschlossen war, sie fortzuschicken.
    »Ist das Boot bereit?«
    Jemand rannte aus dem Saal und rief nach den Bootsleuten.
    »Wir können sie doch sicher in die Flucht schlagen!« meinte Francis Weston. »Wie viele Männer habt Ihr hier, Trevelyan? Wir könnten es mit ihnen aufnehmen, ihnen eine Lektion erteilen und dann zu Abend essen.«
    »Ich habe dreihundert Mann«, erwiderte Seine Lordschaft.
    »Nun, dann wollen wir sie bewaffnen und …«
    »Die Meute, das sind achttausend Menschen, und mit jeder Straße, durch die sie ziehen, werden es mehr.«
    Fassungsloses Schweigen. »Achttausend?« flüsterte Anne. »Achttausend Menschen, die sich auf Londons Straßen gegen mich zusammenrotten?«
    |394| »Schnell!« sagte Lady Trevelyan. »Um Gottes willen macht, daß Ihr in Euer Boot kommt!«
    Anne riß der Frau ihren Umhang aus der Hand, und ich nahm irgendeinen anderen. Die Damen, die zusammen mit uns gekommen waren, weinten vor Angst. Anne rannte aus dem Haus und durch den finsteren Garten. Sie stürzte sich in das Boot, ich folgte ihr hastig. Francis und William waren bei uns, die anderen warfen die Halteleinen ins Boot und stießen es vom Ufer ab. Sie wollten nicht einmal mitkommen.
    »Duckt Euch und bleibt in Deckung«, rief uns einer nach. »Und nehmt die königliche Fahne herunter.«
    Es war ein Augenblick der Schande. Einer der Bootsleute zückte ein Messer und schnitt die Schnüre durch, an denen die königliche Fahne hing, weil er fürchtete, das Volk von England würde die Fahne seines Königs sehen. Die Fahne glitt ihm aus der Hand und fiel über Bord, wirbelte im Wasser und ging dann unter.
    »Das ist jetzt nicht wichtig! Rudert!« schrie Anne, das Gesicht in den Pelzen verborgen.
    Ich duckte mich neben sie. Wir klammerten uns aneinander; ich spürte, wie sie zitterte.
    Wir erblickten die Menschenmenge, als wir mitten auf dem Strom dahinglitten. Sie hatten Fackeln angezündet, und wir konnten die flackernden Flammen sehen, die sich im dunklen Fluß spiegelten. Die Kette schien endlos. Über das Wasser hinweg konnten wir sie Verwünschungen gegen meine Schwester brüllen hören. Auf jeden Schrei folgte ein Jubel der Begeisterung, ein Aufschrei puren Hasses. Anne sackte immer tiefer ins Boot, hielt mich immer fester umklammert und bebte vor Angst.
    Die Bootsleute ruderten wie die Besessenen. Sie wußten, daß keiner von uns bei diesem Wetter einen Angriff auf das Boot überleben würde. Sobald der Mob begriff, daß wir draußen auf dem dunklen Wasser waren, würden die Leute Pflastersteine ausgraben und auf uns schleudern, sie würden die Böschung hinabrennen, um uns zu erwischen, sie würden Boote kapern und uns nachjagen.
    |395| »Rudert schneller!« zischte Anne.
    Wir kamen nur langsam voran, fürchteten aber, die Ruderer mit Trommelschlägen oder Schreien anzufeuern. Wir wollten im Schutze der Dunkelheit am Mob vorübergleiten. Ich schaute über die Seitenwand des Bootes, sah, wie die Lichter innehielten, als könnten die Menschen spüren, daß die Frau, die sie verfolgten, nur wenige Meter entfernt war.
    Dann zog die Meute weiter zum Haus der Trevelyans. Die Fackelkette schien sich mehrere Meilen lang zu erstrecken. Anne setzte sich auf und schob ihre Kapuze zurück. Ihr Gesicht war fassungslos.
    »Glaubst du, gegen so etwas wird er mich verteidigen?« fragte sie. »Gegen den Papst – das ja, insbesondere, wenn er sich dadurch die Schätze der Kirche aneignen kann. Gegen die Königin – ja, besonders, wenn er dabei einen Sohn und Erben bekommt. Aber gegen sein eigenes Volk, wenn es mit Fackeln und Stricken in der Nacht nach mir auszieht? Glaubst du, er hält auch dann noch zu mir?«
     
    Das Weihnachtsfest nahm in diesem Jahr einen ruhigen Verlauf. Die Königin schickte dem König einen wunderbaren goldenen Becher, und er sandte ihn mit einer kaltherzigen Botschaft zurück. Wir spürten ihre Abwesenheit immer und überall. Es war wie in einem Heim, dem die geliebte Mutter fehlt. Sie war einfach immer

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