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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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die auf dem Nachttisch lagen. Warum bin ich hier?
    »Ihre Familie hat Sie unserer Obhut anvertraut. Wir alle wollen nur das Beste für Sie. St. Mary’s Home ist ein wunderschönes Anwesen .«
    Er sprach langsam genug, sodass sie jedes Wort von seinem Mund ablesen konnte.
    Sie ergriff von Neuem den Stift. Und wenn ich nicht hierbleiben möchte?
    Er lächelte nachsichtig, als würde er ein Kind vor sich haben, und zwirbelte seinen Schnurrbart.
    »Sie sind taub und können nicht einmal sprechen, Miss. Sie sollten dankbar sein, dass Sie dank der Großzügigkeit Ihrer Angehörigen und mit unserer Hilfe hier ein gutes und beschütztes Leben führen können!«
    Amalia starrte auf den Abdruck, der noch immer auf ihrem Handgelenk zu sehen war. Sie war eine Gefangene – das war die Wahrheit.
    Verzweifelt versuchte sie, sich nicht von ihrer Furcht überwältigen zu lassen, als Dr. Graham sie schließlich verließ. Sie bemühte sich zu verstehen, warum ihre Eltern sie hierhergebracht hatten. Weshalb sie es nicht einmal für nötig befunden hatten, ihr die Gründe dafür zu erklären. Hing es mit dem Vorfall bei dem Besuch der Hamptons zusammen oder vielleicht sogar mit Edwards Entscheidung, sie zur Frau nehmen zu wollen? Man hatte sich ihrer entledigt und sie abgeschoben, weil sie nicht in das makellose Bild des Aufstiegs passte, den ihre Mutter für die Familie vorgesehen hatte, dessen war sie sich sicher. Dunkel ahnte Amalia, dass Lady Hampton in den Plan, sie auf diese Weise loszuwerden, involviert war. Schließlich hatte sie ihr das Briefchen zugesteckt, in dem stand, dass Edward sie angeblich sehen wollte. Dann dachte Amalia an Cathleen. Hatte sie über das Vorhaben ihrer Eltern auch Bescheid gewusst? Nein. Niemals! Deshalb hatte ihre Mutter ihre Schwester überhaupt nach Paris geschickt, wurde ihr plötzlich klar. Es war alles von langer Hand geplant gewesen. Und nicht allein von ihrer Mutter, sondern auch von ihrem Vater. Sein Verrat traf sie am meisten, denn sie hatte ihm stets bedingungslos vertraut.
    Amalia war sich sicher, dass Edward von alldem nichts wusste. Nie hätte er zugelassen, dass man ihr das antat. Der Gedanke an ihn war das Einzige, was sie aufrecht hielt. Er würde nach ihr fragen, sie suchen und nicht ruhen, bis er sie gefunden hatte. Was hatten ihre Eltern ihm und Cathleen erzählt? Nicht die Wahrheit, so viel stand fest. Panik durchflutete ihren Verstand, sodass sie nicht mehr in der Lage war, klar zu denken. Erneut liefen die Tränen über ihre Wangen.
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    E s stellte sich schnell heraus, dass es von St. Mary’s Home kein einfaches Entkommen geben würde. Über die hohen Mauern war eine Flucht unmöglich, und die beiden Ausgänge des Anwesens wurden rund um die Uhr bewacht. Ohne Erlaubnis durften die Insassen das Heim nicht verlassen.
    Amalia begriff, dass sie vor Dr. Graham und dem Aufsichtspersonal so tun musste, als würde sie sich in ihr Schicksal fügen. Es war ihre einzige Chance, etwas Freiheit wiederzuerlangen und einen Plan zu entwickeln, wie sie von hier fliehen konnte.
    Der Heimleiter zeigte sich über ihre Einsicht höchst zufrieden. Sie durfte von der Krankenstation in ihr Zimmer ziehen, und er ließ es sich nicht nehmen, ihr St. Mary’s Home bei einem Rundgang persönlich zu zeigen.
    Innerlich wie gelähmt, folgte Amalia ihm durch die Gänge und Flure. St. Mary’s Home verfügte über einen Frauen- und einen Männertrakt. Die Insassen waren vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene, doch es gab auch einige Ältere. Ein großer Teil von ihnen war wie Amalia taub, doch manche besaßen auch andere Behinderungen, waren geistig oder körperlich beeinträchtigt. Hinter der Krankenstation lag außerdem eine geschlossene Abteilung für die schweren Fälle, die jedoch mit den anderen nicht in Kontakt kamen.
    Die Insassen von St. Mary’s Home stammten alle aus wohlhabenden Familien, und zumindest äußerlich war alles dafür getan worden, damit sich die Heimbewohner hier wohlfühlten, musste Amalia zugeben. Die Zimmer waren ebenso elegant eingerichtet wie das übrige Anwesen, zu dem diverse Salons, ein Esssaal, Unterrichtsräume und auch eine umfangreiche Bibliothek und eine kleine Kapelle gehörten. Es gab sogar ein Atelier, in dem Staffeleien und Farben zum Malen zur Verfügung standen.
    »Vielleicht wäre das etwas für Sie? Wie mir Ihre Familie berichtete, malen Sie sehr gut.« Dr. Graham gab sich Mühe, sich beim Sprechen immer zu ihr zu wenden.
    Amalia erfuhr, dass nicht nur

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