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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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fest. „Wir bringen ihn zum Haus. Los!“
    Ukulele hob Kjell wortlos auf seine Arme und trug ihn über den Strand. Fae wollte ihm folgen, doch ihre Beine knickten nach zwei Schritten einfach ein. Sie wäre in den Sand gesunken, hätte Alexander sie nicht aufgefangen und hochgehoben. Kraftlos schlang sie ihre Arme um seinen Hals und spürte das raue Kitzeln der Dreadlocks.
    „Er darf nicht sterben. Bitte helft ihm.“
    „Wir tun, was wir können, aber es sieht nicht gut aus. Ein Mensch wäre an solchen Verletzungen längst gestorben.“
    Fae schluchzte auf. Ihre Kehle bestand aus rohem Fleisch. „Versprecht mir, dass ihr ihn nicht in ein Krankenhaus bringt. Genauso wenig wie mich.“
    „Fae …“
    „Schwöre es mir. Egal was passiert, ihr bringt uns zu keinem Arzt. Ich würde nur … in irgendeinem Klinikzimmer verrecken, und Kjell … sie würden ihn für den Rest seines Lebens einsperren.“
    Heiser schluchzte sie vor sich hin und klammerte sich an ihrem Bruder fest.
    „Schschsch …“ Alexander wiegte sie wie ein Kind, während er sie weitertrug. So lang war der Weg. Strand um Strand, dann der Weg entlang der Klippen. Wie hatte sie es so weit schaffen können? „Wir passen auf euch auf. Keine Sorge.“
    „Oh Alex! Er lag schon seit gestern Abend hier. Ich habe ihn nicht gehört. Die ganze Zeit war er alleine! Warum ist er nicht an unseren Strand gekommen?“
    „Ich denke, er hat das Bewusstsein verloren. Die Strömung wird ihn in die Bucht getrieben haben.“
    „Warum habe ich ihn nicht gehört?“
    Fae weinte, bis keine Tränen mehr in ihr waren. Sie musste kurz ohnmächtig geworden sein, denn als ihre Sinne wieder klarer wurden, lag sie auf dem Bett im Schlafzimmer ihres Bruders. Eine weiche Daunendecke lag über ihr, und als Fae neben sich blickte, sah sie Kjells reglose Gestalt. Er war am Leben, aber bewusstlos. Henry hatte sich über ihn gebeugt und nähte mit behutsamen Stichen die Wunden. Es waren so viele. Dutzende. Tief und hässlich. Ukulele und Alexander saßen wie Geister in ihren Stühlen, halb beschienen von dem Licht, das die Nachttischlampe in die Dunkelheit warf.
    Fae tastete zur Seite. Als sie Kjells schlaffe Hand fand, schloss sie ihre Finger um seine.
    Bleib bei mir. Kämpfe. Ich brauche dich.
    Aber wenn es nicht anders geht, dann … bitte … nimm mich mit.
    „Hör zu“, sagte Henry leise, ohne in seiner Arbeit innezuhalten, „ich kann nichts mehr für ihn tun. Er hat praktisch sein ganzes Blut verloren. Ich verstehe das nicht. Ein Mensch wäre längst tot.“
    „Aber er ist kein Mensch.“ Sie blickte in Kjells Gesicht, das in seiner frostigen Leblosigkeit noch makelloser aussah. Als bestünde es aus Meereseis. Wenigstens dieser Teil seines Körpers war unversehrt.
    „Wenn er stirbt, dann sterbe ich auch.“
    Alexander stöhnte auf.
    Fae schloss die Augen, um seine Trauer nicht sehen zu müssen. In ihrem Kopf dröhnte der dumpfe, höhnische Schmerz, aber er war nicht stark genug, um die Betäubung ihrer Verzweiflung zu durchdringen.
    „Was ist ihm nur zugestoßen?“, flüsterte Ukulele. „Wer oder was kann ihn so zugerichtet haben?“
    „Die Wunden scheinen von einem Tier zu stammen“, raunte Alexander. „Irgendein Tier mit verdammt scharfen Klauen. Denn Zähne waren es nicht.“
    „Nicht die hier“, warf Henry ein. „Seht ihr? Die unter dem Rippenbogen? Sie stammt von einem Messer oder etwas Ähnlichem. Die Ränder sind vollkommen glatt. Vielleicht hat ihn zuerst ein Tier angegriffen, aber das hier stammt von Menschenhand. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, derjenige wollte Kjell das Herz herausschneiden.“
    „Was?“, keuchte Ukulele.
    „Es deutet alles darauf hin. Man sticht dort rein, schneidet in einem Bogen unter den Rippen entlang, greift hinein und reißt das Herz raus. Habt ihr nie Apocalypto gesehen? Darin wird das sehr anschaulich gezeigt.“
    „Henry!“, stöhnte Alexander. „Behalte deine Ausführungen für dich. Aber es könnte doch auch nur ein Stich sein, oder nicht? Einfach ein Stich, wovon auch immer. Es muss nicht unbedingt …“
    „Kennt ihr nicht die Geschichten über das Herz und das Blut einer Meerjungfrau?“, unterbrach ihn Henry.
    „Nein, zum Geier“, knurrte Alexander. „Kennen wir nicht.“
    „Beides verleiht Unsterblichkeit. Ewige Jugend und ewiges Leben. Wie viele Menschen wären bereit, dafür zu töten?“
~ Breac, einige Tage zuvor ~
    Beim Anblick des verwundeten Monsters erstarrte jeder einzelne Mann auf

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