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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Leben zurückzukehren, und warum geht es dir so schlecht?“
    Sie sah Alexander an und wusste, dass er Kjell abgrundtief hasste.
    „Er ist fort?“, flüsterte sie.
    „Ja. Und falls du denkst, dass es dir gutgeht: Das ist nur wieder eine dieser Phasen. Sie wird bald vorbei sein.“
    „Woher willst du das wissen?“
    „Deine Augen. Die eine Pupille ist winzigklein, die andere riesengroß. So siehst du immer aus, bevor es dich erwischt. Tut mir leid, Schwesterherz, aber Kjell hat dich im Stich gelassen.“
    Fae sank zurück in die Kissen und klammerte sich an ihrer Wut fest. Sie vergrub sich darin und ließ zu, dass dieses Gefühl alles andere verdrängte. Alexander, Ukulele und Henry begannen ein Streitgespräch. Sie nahm Rembrandt, drehte sich auf die Seite und positionierte die Katze an ihrem Bauch. Es war ihr egal, worüber die drei stritten. Alles war ihr egal. Beide Arme um den Kater geschlungen, überließ sie sich der Dunkelheit.
    „Woher willst du wissen, dass er sie im Stich gelassen hat?“, sagte Ukuleles warme Stimme, die in Fae den Drang auslöste, hemmungslos zu weinen. „Wir wissen nicht, was mit ihm los war. Er sah aus, als wären alle Teufel der Hölle hinter ihm her.“
    „Hast du gesehen, wie er uns angestarrt hat?“, fügte Henry hinzu. „Als wären wir die Leibhaftigen. Wenn du mich fragst, war Kjell völlig daneben. Er bekam gar nichts mehr mit.“
    „Ich glaube“, überlegte Ukulele, „er hat uns nicht mal erkannt.“
    „Nehmt ihr ihn gerade in Schutz?“ Alexanders Stimme klang fremd und schrill. Sie klang wie die eines Menschen, dessen Beherrschung und Vernunft an einem seidenen Faden hängt. „Wir kennen ihn nicht mal. Wir wissen gar nichts von ihm. Er hat uns eingewickelt, damit wir keinen klaren Gedanken mehr fassen konnten. Habt ihr gesehen, was er tat, bevor er weglief? Er packte Faes Arm. Er hat sie berührt, und sie wurde sofort knochenbleich. Und sein Gesicht … ihr habt es gesehen.“
    „Etwas oder jemand hat ihn von Kopf bis Fuß in Geschnetzeltes verwandelt.“ Ukulele gab ein abfälliges Zischen von sich. „Was für ein Gesicht würdest du danach aufsetzen?“
    „Darum geht es nicht. Habt ihr nicht den Hunger gesehen? Diese Gier? Er sah aus wie ein Hai, der in Blutrausch verfällt. Ich glaube, er war kurz davor, Fae zu töten!“
    „Weißt du was?“, stöhnte Henry. „Das ist typisch menschliches Denken. Kjell ist dir fremd. Du verstehst ihn nicht, du begreifst ihn nicht. Also muss er Böses wollen.“
    „Ja“, brüllte Alexander. „Ich verstehe ihn nicht. Versteht ihr ihn etwa? Legt ihr die Hand dafür ins Feuer, dass er nicht nur mit meiner Schwester gespielt hat? Er kommt in unser Haus, als wäre es selbstverständlich. Er wickelt sie um seine Flosse, gaukelt ihr Heilung vor, und plötzlich ist er verschwunden und sie liegt im Sterben. Bei Gott, ich wünschte, sie wäre endlich tot.“
    „Alexander!“ Henry holte erschrocken Luft. „Pass auf, was du sagst.“
    „Ich halte es nicht mehr aus!“, schrie ihr Bruder zurück. „Ich kann nicht mehr! Erst dachte ich, alles wäre endlich gut. Ich dachte, Fae würde mit mir zusammen alt werden. Aber nein, das wäre ja zu viel des Guten gewesen. Also fängt alles wieder von vorne an. Vorhin dachte ich, es wäre endlich vorbei. Ich dachte, ich könnte mit diesem ganzen Mist endlich abschließen. Seit Fae krank ist, schlafe ich kaum noch, es geht mir dreckig, ich fühle mich nutzlos und sinnlos und weiß, dass ich meiner Schwester nicht helfen kann. Ich sehe ihr beim Sterben zu und denke jeden Tag, ich halte es keine Minute länger aus. Und vorhin hätte es vorbei sein können. Jetzt liegt sie wieder da und siecht vor sich hin. Es nimmt kein Ende. Ich habe es so satt. Sagt, was ihr wollt. Ich verschwinde.“
    „Du willst abhauen?“ Henry stieß ein angewidertes Schnauben aus. „Jetzt?“
    „Krieg dich wieder ein. Ich gehe nur einen saufen.“
    Nein!, wollte Fae schreien. Bitte bleib. Geh nicht fort.
    Aber sie rührte sich nicht, blieb still liegen, das Gesicht in Rembrandts Fell gepresst – bis das Knallen der zugeschlagenen Tür ertönte. Er hatte recht. Sie konnte nur noch eins: Ihnen allen Leid zufügen. Nicht sie war es, die am meisten litt, sondern Alexander.
    Zuzusehen, wie seine kleine Schwester Tag für Tag kleine Tode starb, wie sie immer weniger wurde, um irgendwann ganz zu verschwinden, und wie sie sich immer wieder und wieder hochkämpfte. Für einen weiteren Tag, eine weitere Nacht.
    Ich muss

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