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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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sein könnte, dass du recht hast.“
    „Ich vertraue dir, und deshalb solltest du dir auch vertrauen.“
    Zärtlich teilte sie mit ihren Fingern sein nasses Haar, beruhigend und sanft, wie ihre Mutter es getan hatte, als sie ein Kind gewesen war. Langsam verschwand die Kälte aus seinem Körper, sein Herz schlug kräftiger und regelmäßig, sein Atem wurde ruhiger.
    Kjells Fleisch war geheilt, aber Fae spürte, dass etwas falsch war. Sein regloses Gesicht blieb ein emotionsloser Spiegel, den sie nicht durchschauen konnte. Glaubte sie ihren eigenen Worten? Vertraute sie ihm wirklich?
    Das Ding in mir. Das Ungeheuer.
    „Wer hat dir das angetan?“, flüsterte sie. „Was ist geschehen?“
    Er öffnete kurz die Augen und starrte ins Leere. Ein bitterer Schmerz lag in seinem Blick, als fühlte es sich für ihn nicht richtig an, hier zu sein. „Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Alles woran ich mich erinnere, ist der tote Wal.“
    Fae holte tief Luft. „Der Narwal?“
    „Etwas hat ihn getötet. Er hatte Schmerzen, so schlimme Schmerzen. Trotzdem rief er nicht um Hilfe. Er rief weder nach mir noch nach den Walen. Alles, was wir hörten, war sein Todesschrei. Ich wäre rechtzeitig gekommen, wenn er nicht aufgegeben hätte. Aber was passiert ist, weiß ich nicht mehr.“
    Fae stöhnte auf. „Du sagtest, die Wale waren bei dir?“
    „Ja. Ich habe sie gebeten, mich zu begleiten.“
    „Warum brachten sie dich nicht zu unserem Strand? Wir fanden dich mehrere Buchten von hier entfernt.“
    Sein Blick ging an ihr vorbei, während er versuchte, sich zu erinnern.
    „Ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, ich habe es nicht mehr geschafft, ihnen zu sagen, wohin sie mich bringen sollen. Vielleicht waren meine Erinnerungen zu undeutlich, vielleicht verstanden sie mich falsch. Wenigstens stimmte das Ziel einigermaßen.“ Er versuchte zu lächeln, doch es endete kläglich.
    „Ich hätte es spüren müssen.“ Sie versuchte so mühsam, die Tränen zu unterdrücken, dass sich ihre Kehle schmerzhaft zusammenzog. „Es tut mir so leid. Du hast so lange allein dort gelegen, und ich habe nichts gespürt.“
    „Du hättest nichts spüren können“, redete er sanft auf sie ein. „Mein Ruf war viel zu schwach. Ich war kaum mehr bei Bewusstsein.“
    „Nein!“ Ihre Hand krallte sich in sein Haar. „Nein! Egal was du sagst, ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du so lange allein in dieser Bucht gelegen hast.“
    „Wenn jemandem etwas leid tun muss, dann mir. Etwas ist in mir, das ich nicht kenne. Es macht mir Angst, weil es immer stärker wird. Und weil es dich verletzen könnte.“
    Fae beugte sich über ihn und küsste seine kühlen Lippen. Wieder und wieder. „Bitte, hör auf! Du hast mich, du hast uns. Wir helfen dir. Ich weiß, dass du es beherrschen kannst, so lange du nicht allein dagegen kämpfen musst. Hier ist dein Zuhause. Bei mir.“
    Er blickte zu ihr auf, aber er sah sie nicht an. In seinen kristallklaren Augen lag ein schreckliches Sehnen, dessen einzige Erfüllung nicht in dieser Welt lag. „Ja, vielleicht.“
    „Vielleicht?“ Fae drückte seinen Kopf an ihre Brust, wollte ihn festhalten … nein, zurückholen. Aber die seltsame Starre verließ seinen Körper nicht. „Ich fühle mich nur richtig, wenn du bei mir bist.“ Ihre Kehle war so zugeschwollen, dass sie kaum mehr sprechen konnte. „Ich brauche dich, Kjell. Bevor wir uns trafen, dachte ich, nie wieder etwas fühlen zu können. Ich war tot. Nur ein leeres Gefäß. Aber du hast mich wieder gefüllt. Wir gehören zusammen. Ich weiß es, und keiner Sache war ich mir jemals so sicher wie dieser.“
    Ihre Stimme brach. Kjells schrecklich zugerichteter Körper stand ihr vor Augen, all die klaffenden Schnitte und der Stich, der keinem Tier zugerechnet werden konnte. Ein Mensch hatte versucht, ihn zu töten.
    Warum? Wozu? Oh, sie hatte es so satt. Dieser ewige Kampf, das unberechenbare Schicksal und die furchtbare Fähigkeit, Liebe zu empfinden. Vielleicht war das menschliche Leben ein Fluch, und sie waren nicht mehr als Fische an einer Angel, denen der Fischer, indem er die Schnur locker ließ, für kurze Momente die Illusion gab, sich befreit zu haben.
    „Ich wünsche mir, nicht mehr denken und nicht mehr fühlen zu müssen. Das ist unser Fluch. Wir verbringen das Leben mit Angst und Sorge und dieser verdammten Wut. Weil wir hilflos sind. Nichts weiter als Spielfiguren, die nicht mal wissen, ob ihr Dasein einen Sinn hat.“
    „Schschsch.“

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