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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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wuchs, bellte Breac einen wütenden Befehl: „Runter mit dir!“
    Tentakel wanden sich aus dem riesigen Maul, neun an der Zahl, bestückt mit Zähnen scharf wie Skalpelle. Als ihm der Seelenfresser zum ersten Mal begegnet war, hatte er ihn für eine Art riesenhaften Kraken gehalten. Doch die Tentakel waren nur ein Teil des Körpers, nicht mehr als eine Art Zunge, mit deren Hilfe er die Beute in sein Maul zerrte. Der Rest dieses Wesens war unbegreiflich. Er war froh darum, dass sich das Monster selten in seiner ganzen Gestalt zeigte, und gleichzeitig wartete er darauf, den unfassbaren Anblick noch einmal zu sehen, weil er seinen Verstand überforderte und ihm bewies, dass nichts unmöglich war.
    Gischt spritzte, als die schleimglänzenden Tentakel wieder im Wasser verschwanden. Breac sah den gespenstisch weißen Schatten, der tiefer glitt und unter den Schollen verschwand. Furchterregend und auf kranke Art schön.
    „Zeige dich nicht, mo chride“, befahl Breac. „Noch nicht. Treibe ihn vor das Schiff. Alles andere überlass mir.“
    Ein dumpfes Grollen dröhnte in der Tiefe. Es ließ das Schiff erzittern, scheuchte die Männer aus ihren Betten und ließ sie ängstlich umherrennen. Keine zwei Minuten dauerte es, bis die gesamte Mannschaft an Deck versammelt war und durcheinander schwatzte.
    „Wal voraus“, rief Breac durch den Lärm. „Jeder an seinen Posten. Beeilt euch. Los, los!“
    Die Augen der Männer glitzerten. Noch einmal töten, dann ging es in den heimatlichen Hafen. Nach Hause zu Frau und Kindern. Hektisch gingen sie ihrer Aufgabe nach, hetzten über das Deck, riefen Befehle hin und her und zeigten einen Eifer, der ihm fast ein schlechtes Gewissen machte. Breac spürte die Wut des Monsters. Sein Schlund gierte nach mehr Fleisch.
    „Kameraden bis in den Tod“, flüsterte er in seinen Bart. „Das habt ihr mir geschworen.“
    Er hinkte zum Bug des Schiffes, machte seine Harpune scharf und wartete. Schäumend brach der Kiel durch die Wellen. Da! Ein heller Körper etwa zweihundert Meter südwestlich. Eine Blasfontäne, die in den Morgenhimmel stieg.
    Der Narwal floh vor ihnen. Breac spürte die Angst des Tieres, darunter die wilde Entschlossenheit, bis zum Letzten zu kämpfen. Inzwischen war das Monster vor Hunger halb wahnsinnig.
    „Er gehört mir!“, forderte er mit Nachdruck. „Du bekommst, was dir zusteht. Aber ich werde ihn töten. Nur ich.“
    Mit voller Kraft pflügte das Schiff durch das Meer. Frostiger Morgenwind biss in Breacs Gesicht, zerrte an seinen Haaren und an seinem Pullover. Krampfhaft umklammerte er das eisüberzogene Metall. Seine Finger wurden taub, verloren jedes Gefühl, aber er konnte nicht von hier verschwinden, um seine Handschuhe zu holen.
    Wieder tauchte der Narwal auf. Ein Raunen ging durch die Mannschaft, als der weiße Körper des Tieres und sein prachtvolles Horn im Sonnenlicht gleißten. Noch immer befand sich der Wal viel zu weit vom Schiff entfernt. Gelang es dem Monster nicht, ihn abzudrängen? Er konnte unmöglich schneller sein als sein treuer Freund, also musste es andere Waffen besitzen. Vielleicht war es seine magische, strahlende Reinheit, die dem Seelenfresser Schmerzen bereitete.
    „Bring ihn zu mir“, forderte er noch einmal. „Ich töte ihn für dich, mo chride.“
    Das Wasser zwischen Schiff und Wal begann zu brodeln. Tentakel zuckten und wanden sich unter der Oberfläche wie ein Gewimmel riesiger Würmer.
    „Was ist das?“, brüllten die Männer. „Was zum …“
    „Vorwärts!“, schrie Breac gegen den Lärm an. „Oder das hier wird die letzte Fahrt eures Lebens.“
    Das Monster verschwand so schnell in der Tiefe, wie es daraus aufgetaucht war. Stumm und starr gafften die Männer auf das Wasser.
    „Ich sagte: Macht weiter!“
    Die Seeleute gehorchten nur stockend. Dank des magischen Blutes besaß er eine gewisse Macht über die Menschen, aber sie war nicht stark genug, um den Überlebensinstinkt dauerhaft zu unterdrücken. Noch führten die Männer ihre Befehle aus, aber ihre Angst wurde zunehmend unkontrollierbar.
    Gleichgültig. Lange würde er diese Männer nicht mehr brauchen. Über dem Schiff lag ein fahler Nebel aus Panik.
    Seine Mannschaft spürte, dass ihr Ende nahte. Sie wussten instinktiv, dass sie den Hafen und ihre Familien nie mehr wiedersehen würden. Ihr Schicksal lag dort unten, im Magen eines nach Menschenfleisch hungernden Monsters.
    Breac war es gleich.
    Ein paar Seelen, nichts weiter. Nur ein geringer Preis für das

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