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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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sich durch das graue Nichts. Alexander verdrehte seinen Arm, bis Henrys schmerzhafter Griff sich löste, und packte das Handgelenk seines Freundes. Er zeichnete mit dem gerade noch sichtbaren Licht seiner Lampe einen Kreis: Alles okay. Henry erwiderte die Geste. Na bitte, geht doch.
    Ausbildung wurde in die Praxis umgesetzt, weiter nichts. Wenn sie sich an das Gelernte hielten, kamen sie hier unversehrt raus. Er glitt am Arm seines Freundes empor und tastete sich voran, bis er zur Hand kam und das Seil spürte. Gut, Henry hielt es also nach wie vor fest. Wieder drückte er zweimal zu und hoffte, dass sein Freund wusste, was er ihm sagen wollte: Ich lass dich los. Folge einfach dem Seil.
    Mit der freien Hand tastete er sich behutsam den Weg zurück. Etwas Hartes berührte Alexanders Bein, kurz darauf schrammte ein Eisenstück über seinen Arm. Krampfhaft versuchte er, ruhig zu atmen. Ein Riss im Taucheranzug – und alles war aus.
    Unsinn. Komm wieder runter. Der Anzug ist aus reißfestem Material. Der hält auch eine scharfe Eisenkante aus. Hoffe ich jedenfalls.
    Falls es nicht so war, würde das Ding voll Wasser laufen und seine Wärmedämmung verlieren. In kürzester Zeit wäre er bewegungsunfähig.
    Bleib ruhig. Einfach weiter schwimmen. Alles okay. Da hinten die Treppe rauf, dann geradeaus und … na bitte. Langsam klärt sich die Sicht. Ich erkenne wieder was.
    Ein Ruck, plötzlich Stillstand. Henry rempelte ihn unsanft an, wieder wirbelte eine Sedimentwolke auf und machte sie blind. Mist, er hing irgendwo fest. Alexander bewegte sich vorsichtig, spürte, dass etwas sich an seiner Ausrüstung verhakt hatte. Eines der scharfen Eisenstücke?
    Nein! Oh Gott, nein!
    Bleib ruhig! Nicht das Wrack bringt dich um, sondern deine Panik!
    Er zog behutsam. Nichts. Er drehte und wand sich, spürte ein Reißen, dann Kälte an seinem Bein. Unkaputtbares Material? Von wegen! Alexander spürte Nässe. Vier Grad kaltes Wasser lief in seinen Anzug und ließ die Muskeln schlagartig verkrampfen. Mit heftig zitternden Fingern drückte er den Inflator auf seiner Brust. Luft strömte in den Anzug und schob das Wasser bis zum Knie zurück. Blasen stiegen auf. Er spürte, wie es ihn anhob. Gar nicht gut!
    Aufrecht schwimmen, damit das Wasser im Bein bleibt. Gut. Jetzt mit dem Jacket wieder Tarierung herstellen … gut, scheint hinzuhauen.
    Nur zwei Sekunden später verkrampfte sich die unterkühlte Wade. Glühende Schmerzen mischten sich mit schneidender Kälte. Vorbei. Ihm blieben noch ein paar Minuten, bis die Kälte ihn lähmte. Er wollte nicht sterben! Es durfte nicht sein! Was würde aus Fae werden? Oh Gott, er musste hier raus. Irgendwie.
~ Kjell ~
    Wirre Wortfetzen rissen ihn aus dem Schlaf. Zuerst dachte er, es seien Menschenstimmen, aber dann erkannte er, wo er war. Tief im Bauch des Wracks auf dem Grund des Meeres.
    Er hatte sich unter einem halb umgestürzten Schrank zusammengerollt, der von verrottenden Kisten gestützt wurde, und war so tief und fest eingeschlafen, dass er einige Momente brauchte, um wieder klar zu denken. Ein großer Krake hatte es sich auf seinem Oberkörper bequem gemacht. Er schob das schläfrige Tier von sich herunter, hob den Kopf und lauschte. Waren es die Geister? Warteten sie dort draußen auf ihn und drangen in seine Gedanken ein?
    Fae! Oh nein, Fae! Was wird aus ihr? Ich muss zurück …
    Zurück!
    Ich will nicht sterben!
    Nein, keine hungrigen Seelen, sondern vertraute Gedankenstimmen. Alexanders und Henrys Hilferufe, ganz nah. Aber wie kamen sie hierher? Kjell zog sich unter dem Schrank hervor und konzentrierte sich, um seine Sinne zu schärfen. Das Wasser war von aufgewirbeltem Sediment getrübt und mit Panik angereichert. Ein bitterer, schaler Geschmack sickerte durch seine Haut und brannte unangenehm auf der Zunge.
    Suchten sie nach ihm oder tauchten sie nur zufällig in dem Wrack, in dem er sich zum Schlafen zurückgezogen hatte? Es musste Zufall sein, denn wie hätten sie wissen sollen, wo er sich befand?
    Was auch immer die Menschen hierher getrieben hatte, sie waren in tödliche Gefahr geraten.
    Ihre Panik war so stark, dass Kjell übel davon wurde. Sie wollte sich auf ihn übertragen, kroch wispernd durch seinen Kopf und verwirrte seine Gedanken.
    Plötzlich schien die Angst von überall her auf ihn einzudringen. Nur mühsam gelang es ihm, sie unter Kontrolle zu bringen. Menschliche Gefühle wurden so schnell zu einem wilden, ohrenbetäubenden Chaos, das den Kopf mit Nebel

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