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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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und wurde vor schlechtem Gewissen halb verrückt, wenn die Umstände es erforderten, sie allein zu lassen. Normalerweise sollte er in diesem Augenblick neben ihr sitzen und sie verhätscheln. Ihr Haar streicheln, Witze reißen, sie aufmuntern. Im Technikraum rumorte und polterte es. Leise Stimmen zischten verstohlen. Sollte sie an die Tür klopfen? Nach einer Erklärung verlangen?
    Unsinn. Mochten die Jungs tun, wonach ihnen der Sinn stand. Das hinderte sie wenigstens daran, leidende Zuschauer ihres Dramas zu sein. Hochgehen und schreiben?, überlegte sie und drehte die Teetasse zwischen ihren Händen. Zum Strand gehen und suchen? Hoffen auf ein Wunder?
    Ihr Tag hätte nicht produktiver sein können.
    Zwanzig Seiten lagen eng beschrieben neben ihrem Laptop. In ihrem Magen kribbelte Sehnsucht. Der Nachgeschmack, endlich wieder etwas Wundervolles erschaffen zu haben, endlich wieder tief in die Welt ihrer Träume eingedrungen zu sein, lag bittersüß und sahnig auf ihrer Zunge, jagte wie eine Droge durch ihre Adern und machte sie schier verrückt vor Unruhe. Sie musste die Wahrheit herausfinden. Sie wollte sie aufstöbern, enttarnen und … ja, was und? Das Wissen mitnehmen. Es wie einen kostbaren Schatz festhalten, wenn sie gehen musste.
    Fae wollte Kjell noch einmal sehen. Sie wollte Antworten. Nützliche Antworten. Und sie wollte ihn noch einmal berühren, mit den Fingern, ohne Wattebausch dazwischen, um zu erfahren, ob er echt war.
    Entscheidung getroffen. Runter an den Strand. Sie zog ihre blaue Strickjacke aus dem Garderobenschrank, kuschelte sich hinein und sah durch das Fenster. Der Himmel war aufgeklart, ein bläulicher Schimmer verriet, dass der Mond noch nicht untergegangen war. Eine perfekte Nacht für ein Feuer. Fae nahm eine der bunten Webdecken, die auf dem Sofa lagen, schnappte sich ihren Rucksack von der Garderobe und schlich in die Küche. Jeder Moment war ein Geschenk, das sie würdigen musste, ehe alles vorbei war.
    Aus dem Kühlschrank holte sie eine Rolle Pizza-Fertigteig, aus dem Schrank eine Dose von der orientalischen Gewürzmischung, die sie so sehr mochte. Zwölf Holzscheite passten in den Rucksack, dazu zwei der Stäbe, die Alexander für ihre Stockbrot-Abende besorgt hatte.
    Schwer bepackt schlich Fae nach draußen, und als ihr der salzige Nachtwind um die Nase wehte, verschwanden mit einem Mal alle Sorgen und Ängste und wichen einem Hochgefühl, dessen Flüchtigkeit sie zur Genüge kannte – und doch ließ sie sich willig hineinfallen. Hinter den Dünen rauschte das mondbeglänzte Meer, Strandhafer neigte sich im Wind und strich über ihre Beine, während sie durch den Sand stapfte.
    Fae legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. Ja, vielleicht war ihre Zeit abgelaufen, aber sie war einem Geheimnis auf der Spur, das nur für sie bestimmt war. In dieser Nacht fühlte sie sich auserwählt. Jeder, der etwas Besonderes erlebte, musste einen Preis bezahlen. Ihr Preis war nichts Geringeres als der Tod, aber ein paar erholsame Momente lang fürchtete sie sich nicht mehr davor. Zuversichtlich marschierte sie über den Strand hinüber zu den Felsen. Dort, wo sie vor den Blicken der Männer geschützt war, warf sie ihr Gepäck in den Sand.
    Vielleicht würde Kjell das Feuer sehen, falls er … ja, falls er was?
    Dort draußen war? Im Meer?
    Ach, das war doch verrückt!
    Fae schichtete das Holz zu einer Pyramide auf, stopfte Feueranzünder und Papier hinein und legte ein brennendes Streichholz darunter. Angefacht vom Wind, loderten binnen weniger Sekunden glühende Flammenzungen auf. Flammen, deren Wärme ihre Nerven nicht mehr wahrnehmen konnten. Sie drapierte die Decke um ihre Schultern, packte den Teig aus und wickelte ein Stück davon um den Stab. Ehe sie ihn in die Flammen hielt, streute sie großzügig das Gewürz darauf und drückte die dunklen Krümel in den Teig. Nicht nur, dass das Stockbrot in Kombination mit diesem Zeug köstlich schmeckte, es verbreiteten sich auch angenehme Düfte, wenn die Gewürze verbrannten.
    Genieße den Moment.
    Lebe mit allen verbliebenen Sinnen.
    Gedankenverloren starrte Fae in das tanzende Licht. In diesen kostbaren Augenblicken war alles perfekt. Der Mondschein und das Meer, das Feuer und die Düfte. Weitere Momente, die sie ihrem Gedankenschatz hinzufügen konnte. Nach einer Weile schloss sie die Augen und schärfte ihre übrig gebliebenen Sinne, um das Jetzt in sich aufzusaugen, und als Fae sie wieder öffnete und die silbrig glänzenden Wellen

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