Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
Vom Netzwerk:
leichter zu machen. Der Geruch des Meeres haftete an ihm, sie witterte die salzige Nässe, als er sich setzte.
    Wer oder was bist du? Verdammt, erkläre es mir endlich!
    Ihre Finger zitterten, als sie den zweiten Stock aus dem Rucksack zog, ein Stück Teig darumwickelte und die Gewürze daraufstreute.
    „Hier. Halt es ins Feuer.“
    „Was ist das?“
    „Du kennst doch sicher Brot?“
    Er nickte, während er den Stock hin und her drehte. „Aber das, was ich kenne, sieht anders aus.“
    „Es ist gut“, lockte sie. „Versuch es einfach.“
    Kjell gehorchte. Während er mit ausdruckslosem Gesicht auf die Flammen starrte, die den Teigstock umzüngelten, nahm Fae ein weiteres Stück ihres schwarz verbrannten Brotes in den Mund. Das Schweigen zwischen ihnen ließ ihren Körper vom Scheitel bis zu den Sohlen prickeln.
    Frag schon! Löchere ihn! Leg ihm endlich das Messer auf die Brust!
    Heuchlerische Lebendigkeit brannte in ihren Adern, als wäre ihr Fleisch eine viel zu enge Hülle für so viel Energie. Dieses Land war ihr immer magisch erschienen, aber diese Magie wirklich zu erleben, leibhaftig und zum Greifen nah, war etwas ganz anderes, als nur davon zu träumen. Selbst, wenn Kjell ihr erzählte, dass er einer nudistischen Hippie-Strandkommune angehörte, würde er in ihrer Fantasie etwas ganz anderes sein. Ein Mann, der geheimnisvoll aus dem Meer auftaucht und ebenso geheimnisvoll wieder darin verschwindet.
    „Warum tust du das?“, fragte sie ihn geradeheraus. „Warum kommst du nackt aus dem Wasser und gehst genauso nackt wieder hinein, ohne eine Erklärung dafür zurückzulassen. Was bist du?“
    Er starrte sie an, als hielte sie ihm eine Waffe an den Kopf. Krampfhaft krallten sich die Finger seiner freien Hand in die Decke und hielten sie vor seiner Brust zusammen. Lange, schlanke Beine ragten unter der Wolle hervor. Es hätte Fae nicht überrascht, Schuppen auf dieser absurd weißen Haut glänzen zu sehen.
    Unsinn! Es gibt irgendeine Erklärung für ihn.
    Ich weiß nur noch nicht, welche.
    „Warum ich?“, stellte sie die nächste Frage. „Machst du das öfter? Frauen verfolgen und sie verwirren?“
    Kjell wich ihrem Blick aus. Der goldene Flammenschein ließ seine Haut noch glatter und zarter erscheinen, als wäre sie eine hauchdünne Schicht aus durchsichtigem Alabaster.
    „Du bist der erste Mensch, dem ich mich zeige“, sagte er leise. „Aber einmal haben mich drei Fischer gesehen. Ich ruhte mich an einem Strand aus, von dem ich dachte, es gäbe dort keine Menschen.“
    „Eine sehr hilfreiche Antwort.“ Fae seufzte. „Und was ist passiert?“
    „Sie liefen schreiend davon.“
    „Noch hilfreicher. Erklärst du mir jetzt noch, warum und wieso?“
    Kjell drehte seinen Stock, holte tief Luft und sah sie an. Fae keuchte auf. Der Feuerschein fing sich in seinen fremdartigen Augen, in denen nichts Weißes mehr zu sehen war, nur kristallenes, silbergesprenkeltes Türkis mit senkrecht geschlitzten Pupillen. Erschrocken zuckte sie vor ihm zurück. Nein, das musste eine Einbildung ein. Ein merkwürdiger Lichtreflex, der seine Augen in die eines Reptils verwandelt hatte. Tatsächlich waren sie wieder normal, als Fae es erneut wagte, in sie hineinzublicken. Sofern man irgendetwas an diesem Mann als normal bezeichnen konnte.
    In Kjells Gesicht trat ein Schmerz, der ihr verriet, wie sehr ihn ihre Reaktion verletzt hatte.
    „Du findest mich abstoßend?“, fragte er leise.
    „Deine Augen …“ Fae beugte sich ein Stück vor und blickte in dieses flirrende Farbenspiel. „Sie sind wirklich … sie sind … waren sie schon immer so?“
    „Ja.“ Er wandte sich ab und starrte wieder auf seinen Stock, an dem sich der Teig appetitlich braun verfärbte. „Sie waren schon immer so.“
    „Warum? Ist es eine Art Mutation? Eine Krankheit? Eine Pigmentstörung? Ich hatte schwören können, dass sie gerade … aber das ist unmöglich. Vermutlich …“
    … ist es der Tumor, beendete sie in Gedanken den Satz. Ich hätte ihn doch fast vergessen.
    Kjell sah ins Feuer und schwieg. Fae wusste, dass sie sich behutsam vorantasten musste, doch mit seiner scheuen Einsilbigkeit hatte er ihre Neugier nur noch mehr angeheizt. Nervös zupfte sie an der Webdecke herum und zog sie auf ihren Schultern hin und her. Was musste sie tun, um ihn zu knacken? Wo musste der Hebel angesetzt werden? Wenn sie es nicht geschickt anging, würde er zum dritten Mal geheimnisvoll abtauchen.
    „Dein Brot ist fertig.“ Sie deutete auf das Feuer.

Weitere Kostenlose Bücher