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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Rasse, ihre Uniformen, ihre Bewaffnung – so fest ein, wie er nur konnte. Wer wusste schon, ob die Mythen der Wahrheit entsprachen und ob er, allein durch das Blut seines Vaters, auch alle besonderen Gaben der Lyr besaß? Die Zeit schien vollends stillzustehen, während er den Feind studierte, das war ein gutes Zeichen. Vielleicht wäre sein Tod doch nicht vergebens.
    Dann hörte er den Befehl: »Absitzen!«, und die Zeit lief wieder wie gewohnt.
    Er glitt aus dem Sattel. Sein linkes Bein wäre fast eingeknickt, als er es auf den Boden setzte. Offenbar hatte sich während seiner Meditation ein Pfeil in seinen Oberschenkel gebohrt; der brennende Schmerz drang erst jetzt in sein Bewusstsein. Nur mit Mühe zwang er sich, aufrecht zu stehen und die Zähne zusammenzubeißen. Er würde keine Schwäche zeigen, gelobte er sich. Diese Genugtuung würde er dem Feind nicht gönnen.
    Mehrere Männer zwängten sich zwischen den Pfählen hindurch und kamen auf ihn zu. Seine Hand umfasste das Schwert fester, aber er hob es nicht. Sie hätten ihn leicht mit einem Pfeilhagel niederstrecken können, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben; dass sie sich stattdessen zu Fuß näherten, mochte ein Hinweis darauf sein, dass sie ihn wider Erwarten doch nicht töten wollten.
    Dann traf ein Schlag seinen Hinterkopf, und die Welt begann sich zu drehen. Er wollte sich dem Angreifer noch zuwenden, doch das verletzte Bein machte die Bewegung nicht mit; er fiel im Bachbett auf die Knie, und dort traf ihn der zweite Schlag. Vergesst das nicht , sendete er den Lyr , bevor ihn die Dunkelheit umfing. Rächt mich!
    Das Blut rauschte ihm in den Ohren, und dann löschte ein dritter Schlag alles aus.

Kapitel 10
    Das große weiße Zelt gleißte im Sonnenlicht unter dem klaren blauen Himmel. Von den Mittelpfosten hingen goldene Fahnen mit dem doppelköpfigen Habicht, dem Wappen des Hauses Aurelius, und knatterten im Wind, als wollten sie sichergehen, dass man sie auch bemerkte. Die Spitzen der Seitenstangen hatten die Form von fliegenden Habichten mit goldenen Federn und blitzten so grell im Schein der Morgensonne, dass man kaum hinsehen konnte.
    Die Gesellschaft im Inneren des Zeltes war nicht weniger glanzvoll – Männer und Frauen, jung und alt, so viele, dass man sie nicht mehr zählen konnte, und alle in feinste Seide gekleidet. Fürsten und andere Adelige samt ihren Verwandten und Dienern trugen Gewänder in den heraldischen Farben ihres Hauses, sodass man die Größe eines Gefolges mit einem einzigen Blick abschätzen konnte. Ein unglaublich farbenfroher – und prächtiger – Anblick.
    Wer in der Menge fehlte – und dadurch besonders auffiel –, waren die Priester. Die pantheistischen Religionsgemeinschaften der Region waren über Salvators Krönung nicht glücklich. Ganz und gar nicht. Wer wusste denn, ob dieser ehemalige Mönch sich nicht vorgenommen hatte, das Großkönigtum von seinen vielen Tempeln zu säubern? Danton Aurelius war ein skrupelloser und bisweilen grausamer Herrscher gewesen, aber er hatte sich zumindest jeder Einmischung in die Religion enthalten. Ich habe schon genug Feinde, ich brauche mich nicht auch noch mit den Göttern anzulegen , pflegte er zu sagen. Sein Sohn war anders. Salvators Gott war bekannt dafür, dass er missgünstig und rachsüchtig war und keinen Rivalen duldete. Als ihn die Menschen im Ersten Königtum erzürnten, hatte er – jedenfalls nach Meinung der Büßermönche – das Reich in die Knie gezwungen und hätte um Haaresbreite die ganze menschliche Rasse ausgelöscht. Momentan hielt ihn jedoch seine spärliche Anhängerschaft davon ab, den starken Mann zu spielen; ein aus Schuldgefühlen und Selbstverleugnung entstandener Glaube war nicht dazu angetan, die Massen anzuziehen. Aber das mochte sich rasch ändern, wenn ein Büßermönch über das größte Reich der Menschheit herrschte. Nein, die anderen Religionen waren ganz und gar nicht begeistert von Salvators Aufstieg, und wer von ihren Priestern überhaupt an der Krönung teilnahm, hielt sich im Hintergrund und vermied jedes Aufsehen.
    An einem Ende des Zelts war ein großes Podest aufgerichtet, auf dem, flankiert von zwei Stühlen mit seidenen Polstern, ein Thron stand. Wer einmal an Dantons offiziellen Empfängen teilgenommen hatte, erkannte diesen Thron als den seinen wieder und wusste auch, dass in die kunstvollen Schnitzereien die Hoheitszeichen aller Herrscherfamilien des Großkönigtums eingearbeitet waren. Das Möbelstück war groß und

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