Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
unangenehmes, klebriges Gefühl. Sie wollte zurück nach Hause, zurück in ihr Yogastudio und Unterricht geben. Doch sie war hier gefangen, in der Stadt der Sünde.
Schon als Mensch war es ihr völlig gleichgültig gewesen, was diese Stadt zu bieten hatte. „Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas“ – das bekannte Mantra dieses Spielplatzes für Erwachsene beleidigte ihr Zartgefühl und lief allem zuwider, woran sie glaubte. Glücksspiel, Trinken, Striplokale – alles, was diese Stadt ausmachte, stand im absoluten Gegensatz zu ihrem eigenen moderaten Lebensstil und zu ihrer Zurückhaltung. Ein Engel zu sein und hier zu sein kam eigentlich überhaupt nicht infrage. Falls Arielle ihr nicht einen Auftrag erteilte, den sie hier zu erledigen hatte, gab es für sie absolut keinen Grund, sich in dieser Stadt aufzuhalten.
Warum nur war sie darauf eingegangen, eine ganze Woche mit Julian hier zu verbringen? Weil er ihren Bruder als Köder benutzt hatte, und sie war prompt in seine Falle getappt. Andrew war stark und ein anständiger Kerl, aber gegen Julian hatte er keine Chance.
„Lussuria“ , sagte sie, um den Namen des Hotels einmal selbst auszusprechen. „Klingt hübsch. Was bedeutet das? Luxus?“
Er lachte, immer noch auf dem Bett liegend. „ Lusso ist das italienische Wort für Luxus. Lussuria bedeutet Wollust.“
Ein Schauer durchlief ihren Körper, und sie wandte sich in Richtung Badezimmertür. „Ich gehe jetzt duschen“, verkündete sie und hoffte, er würde das Beben in ihrer Stimme nicht bemerken.
Als sie wieder aus dem Bad kam, war er nicht mehr in ihrem Zimmer. Vermutlich duschte er auch gerade. Endlich hatte sie ein paar Minuten für sich allein. Sie musste dringend Arielle anrufen. Eben noch hatte Julian von dem Apparat in ihrem Zimmer den Room Service angerufen, doch jetzt war hier kein Telefon mehr. Hatte er es etwa mitgenommen? Serena schaute hinter den Nachttisch, und tatsächlich war der Telefonstecker weg. Sie fluchte laut.
Sie musste hier weg.
Gehetzt riss sie die Schranktür auf, schnappte sich ihr Kleid und ignorierte die anderen Sachen, die dort hingen. Von ihrem trägerlosen BH, den sie gestern Abend getragen hatte, war keine Spur, und sie hatte jetzt auch keine Zeit, danach zu suchen. Sie schlüpfte in ihr Kleid, griff ihre Schuhe und rannte zur Tür.
Ihr Herz raste, als sie von der vierundfünfzigsten Etage mit dem Fahrstuhl nach unten fuhr und dabei die aufleuchtenden Zahlen der einzelnen Stockwerke beobachtete. Sie suchte in ihrer Handtasche nach Bargeld und Kreditkarte. Sie würde sich vor dem Hotel ein Taxi nehmen, sich zum Flughafen bringen lassen und in den ersten Flieger nach Hause steigen. Doch was, wenn Julian hinter ihr herkam? Würde er sie aufhalten?
Und was, wenn ihr die Flucht gelang? Würde er seine Wut an Andrew oder Nick auslassen, wie er gedroht hatte? Ihr Schutzbefohlener würde im Laufe des Tages in Las Vegas eintreffen. Sie wusste, was ihn dort erwartete – nach allem, was sie im Devil’s Paradise gesehen hatte. Julian war alles zuzutrauen.
Die Fahrstuhltür öffnete sich und sie trat in die luxuriöse Lobby. Touristen schlenderten herum, offensichtlich unbeeindruckt von der freizügigen Atmosphäre, die Serena so überwältigend vorkam. Ein langer Säulengang führte ins Kasino, wo sich bereits an diesem sonnigen Sonntagmorgen die Massen zum endlosen Geplärre der Spielautomaten und Klackern der Roulettekugeln eingefunden hatten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges befand sich der Eingang zu Julians neuem Klub. Ein überdimensionales Seidenbanner, das über die verschlossenen Türen herabhing, verkündete die große Eröffnung des Devil’s Ecstasy für das kommende Wochenende.
Serena nahm die Szenerie in sich auf. Hierher machte man keinen unschuldigen Wochenendausflug. Denn hier, das spürte sie, war das Böse zu Hause. Das war ein Spielplatz für Dämonen. Sie konnte ihre Anwesenheit körperlich spüren. Sie betete zu Gott, dass sie heil hier herauskäme und nie mehr zurückkehren musste.
Doch sie ahnte bereits, dass das unmöglich war. Sie dachte an Nick und Andrew und erschauderte bei dem Gedanken daran, was Julian ihnen antun würde, wenn sie jetzt einfach ging. Sie konnte nicht gehen. Sie musste hierbleiben – ihr blieb keine Wahl.
Serena im Bett überrascht zu haben war etwas, an dem sich Julian noch lange erfreuen würde. Während er unter der Dusche stand, dachte er noch einmal an ihren Körper und bekam prompt wieder eine
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